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Auf einen Blick: das Neueste in Sachen Recht, Steuern und Wirtschaft.




Allgemeine Mandanteninformationen
Mit Urteil vom 17. Oktober 2024 (III R 1/23) hat der BFH entschieden, dass die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG nicht in Anspruch genommen werden kann, wenn eine Gesellschaft ihren gesamten Grundbesitz einen Tag vor Ablauf des Erhebungszeitraums veräußert. Grund dafür ist, dass die Gesellschaft in diesem Fall nicht ausschließlich grundstücksverwaltend tätig war.
Der Entscheidung lag folgender Fall zugrunde: Die Klägerin war grundsätzlich ausschließlich vermögensverwaltend tätig, hat jedoch zu Beginn des 31.12.2016 ihren gesamten Grundbesitz veräußert. Für den Erhebungszeitraum 2016 machte die Klägerin die erweiterte Kürzung in ihrer Gewerbesteuererklärung geltend.
Das Finanzamt versagte der Klägerin die erweiterte Kürzung mit der Begründung, dass der Geschäftszweck der Klägerin der Erwerb und Verkauf von Grundstücken, nicht deren Verwaltung sei. Das FG Münster (Urteil vom 27. Oktober 2022, 10 K 3572/18 G) hat entschieden, dass die erweiterte Kürzung im Streitjahr beansprucht werden könne. Der BFH schlussfolgert jedoch anhand folgender Argumentation, dass das FG rechtsfehlerhaft entschieden hat.
Voraussetzung für die Gewährung der erweiterten Kürzung ist insbesondere, dass das Unternehmen grundsätzlich ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt. Der Begriff der Ausschließlichkeit ist laut BFH-Rechtsprechung qualitativ, quantitativ und zeitlich zu verstehen. In zeitlicher Hinsicht muss während des gesamten Erhebungszeitraums der nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG begünstigten Tätigkeit nachgegangen werden. Dies begründet der BFH mit dem Wesen der Gewerbesteuer als Jahressteuer.
Wird nur während eines Teils des Erhebungszeitraums eine nicht begünstigte Tätigkeit ausgeübt, entfallen für den gesamten Erhebungszeitraum die Voraussetzungen der erweiterten Kürzung. Am Erfordernis der Ausschließlichkeit fehlt es daher, wenn ein Unternehmer das letzte oder einzige Grundstück vor Ablauf des Erhebungszeitraums veräußert und danach nur noch anderweitige Tätigkeiten ausübt.
Eine „technisch bedingte“ Ausnahme würde der BFH lediglich bei einer Veräußerung zum 31.12., 23:59 Uhr, zulassen. Ebenso werden keine Ausnahmen wegen Geringfügigkeit aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gewährt.
Da die Klägerin über den 30.12.2016 hinaus fortbestand, dauerte auch ihre sachliche Gewerbesteuerpflicht über diesen Tag hinaus an. Damit ist sie an einem Tag des Erhebungszeitraums (31.12.2016) nicht der begünstigten Tätigkeit nachgegangen, sodass die erweiterte Kürzung nach Ansicht des BFH zu versagen ist.
06.02.2025 von Katharina Linnemann
Die EU-Verordnung über künstliche Intelligenz (AI-Act) führt zu grundlegenden Veränderungen im Handels- und Gesellschaftsrecht. Als unmittelbar geltendes Recht wird sie die Unternehmensführung und -organisation maßgeblich beeinflussen. Die Verordnung sieht einen risikobasierten Ansatz vor, der sich in den gesellschaftsrechtlichen Pflichten der Unternehmensorgane widerspiegelt.
Pflichten der Unternehmensleitung
Die Geschäftsleitung muss im Rahmen ihrer allgemeinen Leitungspflicht nach § 76 AktG bzw. § 35 GmbHG ein Klassifizierungssystem für KI-Anwendungen implementieren. Dieses muss die in der Verordnung vorgesehenen Risikoklassen (verbotene Praktiken, Hochrisiko-KI-Systeme und sonstige KI-Systeme) abbilden. Die Einordnung bestimmt die weiteren Handlungspflichten der Unternehmensleitung.
Organisatorische Anforderungen
Bei der Verwendung von Hochrisiko-KI-Systemen im Sinne der Verordnung ergeben sich aus der allgemeinen Organisationspflicht der Geschäftsleitung konkrete Handlungserfordernisse. Hierzu gehören die Einrichtung eines Qualitätsmanagementsystems, die Erstellung technischer Dokumentationen und die Gewährleistung der menschlichen Aufsicht über das KI-System. Diese Pflichten konkretisieren die allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltspflichten.
Auswirkungen auf die Corporate Governance
Die Corporate Governance muss um spezifische KI-Kontrollmechanismen erweitert werden. Der Aufsichtsrat muss im Rahmen seiner Überwachungspflicht nach § 111 AktG die Einhaltung der Verordnung durch den Vorstand kontrollieren. Dies umfasst insbesondere die Prüfung, ob angemessene Systeme zur Risikoerkennung und -steuerung für KI-Anwendungen implementiert wurden.
Berichtspflichten und Transparenz
Die handelsrechtlichen Berichtspflichten werden durch die Transparenzanforderungen der Verordnung erweitert. Im Lagebericht nach § 289 HGB müssen künftig Angaben über den Einsatz von KI-Systemen, insbesondere von Hochrisiko-KI-Systemen, gemacht werden. Dies umfasst Informationen über Risikomanagement, Kontrollsysteme und wesentliche Veränderungen in der KI-Nutzung.
Haftungsregime
Die Verordnung etabliert ein spezifisches Haftungsregime für KI-Systeme, das mit den allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Haftungsnormen in Einklang gebracht werden muss. Die Business Judgment Rule nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG findet weiterhin Anwendung, jedoch müssen Organmitglieder nachweisen können, dass sie die spezifischen Anforderungen der Verordnung bei ihrer Entscheidungsfindung berücksichtigt haben.
Konsequenzen für den Konzern
Im Konzernverbund müssen die Anforderungen der Verordnung in die bestehenden Compliance-Strukturen integriert werden. Die Konzernleitung ist verpflichtet, ein konzernweites System zur Überwachung von KI-Anwendungen zu implementieren und die einheitliche Umsetzung der Verordnung sicherzustellen.
Registrierungspflichten
Für Hochrisiko-KI-Systeme sieht die Verordnung eine Registrierungspflicht in einer EU-Datenbank vor. Dies kann Auswirkungen auf die handelsrechtliche Offenlegung haben und muss in den gesellschaftsrechtlichen Dokumentations- und Berichtspflichten berücksichtigt werden.
Fazit
Die EU-Verordnung über künstliche Intelligenz bringt erhebliche handels- und gesellschaftsrechtliche Änderungen mit sich. Die praktische Umsetzung wird viele Unternehmen vor neue Herausforderungen stellen. Bei Fragen zur Implementierung der Verordnung in Ihrem Unternehmen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
30.01.2025 von Philipp Dietz
Mit Urteil vom 31. Juli 2024 (II R 28/21) hat der BFH entschieden, dass für die Beurteilung der Frage, ob eine unmittelbar an einer grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaft als neue Gesellschafterin im Sinne des § 1 Abs. 2a S. 4 GrEStG gilt, weil an ihr mindestens 90 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen, nur auf die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft abzustellen ist. Eine zuvor
bereits bestehende Beteiligung des neuen Gesellschafters der Kapitalgesellschaft an der grundbesitzenden Personengesellschaft ist unerheblich.
Der Entscheidung lag folgender Fall zugrunde: Im Vermögen einer KG (Klägerin) befand sich Grundbesitz. Als Komplementär ohne Kapitalbeteiligung war unter anderem T an der KG beteiligt. Als Kommanditisten waren R zu 10 % und die R-GmbH zu 90 % an der KG beteiligt. R war zu 100 % an der R-GmbH beteiligt. R hat seine gesamte Beteiligung an der R-GmbH auf T übertragen. Zeitgleich wurden die 10 % der Anteile an der KG von R auf die M-GmbH übertragen.
Gemäß § 1 Abs. 2a S. 4 GrEStG gilt eine unmittelbar beteiligte Kapitalgesellschaft (R-GmbH) in vollem Umfang als neue Gesellschafterin, wenn an ihr mindestens 90 % (bzw. 95 % nach der alten Fassung) der Anteile auf neue Gesellschafter (T) übergehen.
Das Finanzamt war der Auffassung, dass die Änderung im Gesellschafterbestand der klagenden KG aufgrund des Übergangs der 100 %igen Beteiligung an der R-GmbH von R auf T nach § 1 Abs. 2a GrEStG der Grunderwerbsteuer unterlag. Nach Ansicht des Niedersächsischen FG (Urteil vom 10. März 2021, 7 K 101/18) löste der Erwerb aller Anteile an der an der Klägerin beteiligten R-GmbH durch T hingegen keine Grunderwerbsteuer aus, da T durch seine Stellung als Komplementär als Altgesellschafter der KG anzusehen sei.
Der BFH führt entgegen der Auffassung des FG aus, dass die R-GmbH in vollem Umfang als neue Gesellschafterin der KG gilt, da T nicht als Altgesellschafter anzusehen ist. Zur Beurteilung „neuer Gesellschafter“ ist nur auf die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft (R-GmbH) abzustellen. Selbst wenn der neu an der Kapitalgesellschaft beteiligte Gesellschafter (T) vor seinem Anteilserwerb bereits Gesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft (KG) war, wird er für die Anwendung des § 1 Abs. 2a S. 4 GrEStG nicht zum Altgesellschafter der Kapitalgesellschaft (R-GmbH). Der BFH schlussfolgert, dass somit Grunderwerbsteuer ausgelöst wird, da insgesamt 100 % der Anteile an der KG auf neue Gesellschafter übergegangen sind – 90 % auf die „neue Gesellschafterin“ R-GmbH sowie 10 % auf die M-GmbH.
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil der Vorinstanz aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung bezüglich hier nicht erwähnter Aspekte an das Niedersächsische Finanzgericht zurückverwiesen.
09.01.2025 von StB Dr. Katharina Linnemann
Mit Urteil vom 22. Oktober 2024 (VIII R 33/21) hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 129 AO nicht allein dadurch ausgeschlossen ist, dass zur Bestimmung der zutreffenden Höhe des steuerlichen Einlagekontos nicht die mechanische Übernahme, der im Jahresabschluss angegebenen Kapitalrücklage ausreicht, sondern auf einer zweiten Stufe noch weitere Sachverhaltsermittlungen zur Höhe des steuerlichen Einlagekontos erforderlich sind.
Der Entscheidung lag folgender Fall zugrunde: Die Klägerin erhöhte im Jahr 2010 als Alleingesellschafterin ihrer GmbH deren Stammkapital um 100 Euro und brachte ihre Beteiligung an einer GbR in Höhe von 25 % zu Buchwerten nach § 20 UmwStG in die GmbH ein. In der Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos auf den 31.12.2020 wurde der Bestand des steuerlichen Einlagekontos mit Null angegeben. In der Bilanz zum 31.12.2010 wurde eine Kapitalrücklage in Höhe von 1.073.711,72 Euro ausgewiesen. Laut Erläuterungen im Jahresabschluss entsprach dies dem Anteil der Klägerin an der GbR abzüglich der 100 Euro für die Stammkapitalerhöhung. Die Klägerin beantragte eine Berichtigung des Bescheides zur Feststellung des Einlagekontos nach § 129 AO.
Das Finanzamt lehnte die Berichtigung mit der Begründung ab, dass eine weitere Sachverhaltsaufklärung notwendig gewesen wäre, und auch die hiergegen gerichtete Klage beim Finanzgericht hatte keinen Erfolg.
Der BFH hat die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen. Hierzu führte er Folgendes aus:
Nach § 129 AO kann eine Berichtigung erfolgen, wenn ein offensichtlicher Fehler innerhalb der Finanzbehörde entstanden ist. Dabei muss der Fehler nicht direkt aus dem Bescheid hervorgehen. Eine Berichtigung ist auch möglich, wenn die Behörde fälschlicherweise fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen übernimmt (sogenannter Übernahmefehler).
Das Finanzgericht stellte korrekt fest, dass zur Klärung des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2010 weitere Untersuchungen erforderlich sind. Jedoch schloss es fälschlicherweise aus, dass eine Berichtigung nach § 129 Satz 1 AO dementsprechend nicht möglich sei.
Aufgrund der Einbringung könnte das steuerliche Einlagekonto nur Null betragen, wenn der Wert der eingebrachten Wirtschaftsgüter exakt dem Nennwert der ausgegebenen Anteile entspricht oder diese unterschreitet, wodurch eine Eintragung in das Handelsregister wegen des Grundsatzes der Kapitalaufbringung nicht hätte erfolgen dürfen. Ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor. Dies ist daraus ersichtlich, dass die Bilanz der Klägerin eine Kapitalrücklage von über 1 Mio. Euro ausweist, die im Jahresabschluss auch nachvollziehbar erläutert ist. Selbst wenn der Einbringungsvertrag dem Finanzamt nicht vorgelegen hätte, war offensichtlich, dass das Einlagekonto nicht 0 € betragen konnte.
Das Urteil ist noch nicht veröffentlicht.
08.01.2025 von StB Judith Heske
1. Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2024
Am 12. Dezember 2024 hat das Bundesministerium der Finanzen die „Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise – Grundsätze für die Korrektur von Einkünften gemäß § 1 AStG“ veröffentlicht. Es umfasst die Regelungen für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Hinblick auf die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien.
Im Großen und Ganzen entsprechen diese Grundsätze den Verwaltungsgrundsätzen Verrechnungspreise für das Jahr 2023 sowie dem im Sommer 2024 veröffentlichten neuen Entwurf. Ergänzungen bzw. praktische Hinweise ergeben sich insbesondere im Hinblick auf Finanzierungsbeziehungen innerhalb einer multinationalen Unternehmensgruppe im Sinne des §1 Abs. 3d und 3e AStG (Tz 3.121 – 3.156). Das BMF-Schreiben steht auf der Seite des Bundesministerium der Finanzen zum Download zur Verfügung (https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Internationales_Steuerrecht/Allgemeine_Informationen/2024-12-12-vwg-verrechnungspreise-2024.html)
2. Vorhaltefrist
In § 90 Abs. 4 AO wurde die Vorlagepflicht faktisch durch eine Vorhaltepflicht abgelöst. Die Frist für die Vorlage der Verrechnungspreisdokumentationen beträgt 30 Tage nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung. Im Fall der Betriebsprüfung bedarf es daher keiner Aufforderung mehr. Diese Änderungen finden erstmalig Anwendung für Veranlagungsjahre, die nach dem 31.12.2024 beginnen, sowie für vorangegangene Besteuerungszeiträume, wenn für diese nach dem 31.12.2024 eine Betriebsprüfung angeordnet wird. Somit exisitiert hier eine faktische Rückwirkung auf vergangene Besteuerungszeiträume.
Darüber hinaus können die Angaben im Sinne des § 90 Abs. 3 AO auch außerhalb einer Betriebsprüfung im Rahmen der turnusmäßigen Veranlagung von der Finanzbehörde angefordert werden. In diesen Fällen beträgt die Frist 30 Tage nach Anforderung.
Mit der Vorhaltepflicht wird der Verrechnungspreisdokumentation faktisch der Stellenwert einer Steuererklärung eingeräumt. Zukünftig macht es unseres Erachtens Sinn, die Erstellung der Verrechnungspreisdokumentation -ähnlich wie die Aufstellung des Jahresabschlusses oder die Erstellung der Steuererklärungen- in die jährliche zeitliche Planung der Unternehmensgruppe mit aufzunehmen.
3. Transaktionsmatrix
In § 90 Abs. 3 AO wurde der Umfang der Aufzeichnungspflichten (bisher Sachverhaltsdokumentation und Angemessenheitsdokumentation) um die Darstellung einer Transaktionsmatrix erweitert. Insofern wird es in Zukunft drei Berichtsbestandteile geben. Die Transaktionsmatrix ist von allen Unternehmen mit Transaktionen mit ausländischen nahe stehenden Personen zu fertigen. Hier entsteht somit eine Verschärfung der Compliance-Anforderungen.
Folgende Angaben sind in der Transaktionsmatrix zu machen:
- der Gegenstand und die Art der Geschäftsvorfälle,
- die an den Geschäftsvorfällen Beteiligten unter Kennzeichnung von Leistungsempfänger und Leistungserbringer,
- das Volumen und das Entgelt der Geschäftsvorfälle,
- die vertragliche Grundlage,
- die angewandte Verrechnungspreismethode,
- die betroffenen Steuerhoheitsgebiete und
- ob Geschäftsvorfälle nicht der Regelbesteuerung im betreffenden Steuerhoheitsgebiet unterliegen.
18.12.2024 von StB Michael Gieretz
Die EU-Kommission hat eine neue Produktsicherheitsverordnung (GPSR) entworfen, die am 13.12.2024 in Kraft tritt. Sie gilt unmittelbar in den EU-Mitgliedstaaten; einer nationalen Umsetzung bedarf es nicht.
Die Verordnung gilt für alle neuen, gebrauchten, reparierten oder wiederaufgearbeiteten Produkte, die in Verkehr gebracht oder auf dem Markt bereitgestellt werden, soweit es keine spezifischen Bestimmungen über die Sicherheit der betreffenden Produkte gibt, mit denen dasselbe Ziel verfolgt wird, vgl. Art. 2 Abs. 1 S. 1 GPSR. Produkte, die vor dem 13.12.2024 in Verkehr gebracht wurden, dürfen weiterhin ohne Beachtung der GPSR betrieben werden, soweit sie mit den Vorgaben der vorherigen Richtlinie zur Produktsicherheit (RiLi 2001/95/EG) vereinbar sind.
Wichtigsten Änderungen:
- Hersteller (Art. 3 Nr. 8 GPSR) müssen ausnahmslos für jedes Produkt eine interne Risikoabwägung durchführen und technische Unterlagen erstellen. Eine Bagatellgrenze gibt es nicht. Als Hersteller gilt auch derjenige, der ein Produkt physisch oder digital so verändert, dass sich die Änderung auf die Sicherheit des Produkts auswirkt.
- Hersteller sind weiterhin verpflichtet, Produktunfälle – ab Kenntnis – den zuständigen Behörden des Mitgliedstaates, in dem sich der Unfall ereignet hat, über das „Safety-Business-Gateway“ zu melden, Art. 20 GPSR.
- Händler müssen kontrollieren, dass Hersteller und Einführer ihre jeweiligen Pflichten nach der GPSR erfüllen. Sie sind außerdem verpflichtet, Informationen über den Namen des Herstellers des Produktes, dessen Postanschrift und elektronische Adresse im Fernabsatzhandel eindeutig und gut sichtbar bereitzustellen.
- Der Anwendungsbereich der GPSR erweitert sich auf Fulfillment-Dienstleistern und auf Anbieter von Online-Marktplätzen. Fulfillment-Dienstleister sind natürliche und juristische Personen, die im Rahmen einer Geschäftstätigkeit mindestens zwei der folgenden Dienstleistungen anbieten: Lagerhaltung, Verpackung, Adressierung und Versand von Produkten, an denen sie kein Eigentumsrecht haben.
- Anbieter von Online-Marktplätzen müssen sich bei einem „Safety-Gate-Portal“ registrieren und Angaben zu ihrer zentralen Anlaufstelle hinterlegen. Es besteht nämlich eine Transparenzpflicht über die Herkunft des Produktes, wobei eine Zusammenarbeit mit den Behörden gefordert ist. Soweit der Anbieter von Online-Marktplätzen einen EU-Importeur nicht benennt, liegt die direkte Verantwortung für das Produkt bei ihm. Allgemein gilt, dass ein Produkt aus einem Nicht-EU-Land nur in Verkehr gebracht werden kann, wenn ein Verantwortlicher in der EU benannt ist.
- Die Angaben von Warnhinweisen und Sicherheitsinformationen müssen auf dem Produkt oder der Produktverpackung angebracht oder in Begleitunterlagen beigefügt werden. Sie müssen in allen Amtssprachen der EU-Mitgliedstaaten ausformuliert sein.
- Wirtschaftsakteure und Anbieter von Online-Marktplätzen sind von nun an verpflichtet im Falle eines Produktsicherheitsrückrufs oder bei Sicherheitswarnungen die betroffenen Verbraucher zu ermitteln und diese direkt und unvermittelt zu unterrichten, Art. 35 GPSR.
In solch einem Fall sind sie zudem verpflichtet, dem Verbrauer eine wirksame, kostenfreie und zeitnahe Abhilfe anzubieten.
Die GPSR sieht selbst keine unmittelbaren Sanktionen für Verstöße vor. Die EU-Kommission hat die Sanktionierung den nationalen Gesetzgebern überlassen, Art. 44 GPSR. Der deutsche Gesetzgeber wird bis zum 13.12.2024 entsprechende Regelungen und Maßnahmen treffen müssen.
Die EU-Kommission sieht jedoch Beschränkungen für das Inverkehrbringen eines Produktes oder seine Bereitstellung auf dem Markt vor sowie seine Rücknahme vom Markt oder seinen Rückruf. Es ist ausdrücklich geregelt, dass durch vorgenanntes eine Haftung der betreffenden Partei durch nationales Recht nicht ausgeschlossen ist.
11.12.2024 von RA Martin Giepen
Ein vorweihnachtliches Geschenk wird dem ein oder anderen Steuerpflichtigen durch die Veröffentlichung des Jahressteuergesetzes im Bundesgesetzblatt am 5.12.2024 gemacht. In der bis zum 5.12.2024 geltenden Fassung des § 20 Abs. 6 S. 6 EStG war die Regelung so, dass Verluste aus der ganzen oder teilweisen Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung jährlich nur mit EUR 20.000 mit anderen Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden durften. Der verbleibende Betrag wurde in einem Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer festgestellt und somit in die Folgejahre vorgetragen. Je nach Höhe des Verlustes (beim Ausfall einer Darlehensforderung) war es durchaus möglich, dass Verluste über Jahre oder Jahrzehnte verrechnet werden mussten (pro Jahr mit je EUR 20.000). Darüber hinaus war weitere Voraussetzung, dass positive Einkünfte aus Kapitalvermögen in gleicher Höhe im entsprechenden Veranlagungszeitraum vorlagen.
Mit Veröffentlichung des Jahressteuergesetzes 2024 im Bundesgesetzblatt ist diese Regelung nun aufgehoben worden. Hintergrund sind u.a. verfassungsrechtliche Bedenken. Diese Aufhebung gilt ab sofort in allen noch offenen Fällen. Das bedeutet, dass bestehende Verlustvorträge ab sofort für eine Verlustverrechnung mit allen Einkünften aus Kapitalvermögen zur Verfügung stehen.
Gleiches gilt darüber hinaus auch für die Verlustverrechnung von Verlusten aus Termingeschäften.
09.12.2024 von StB Michael Gieretz
Mit Urteil vom 10. Juli 2024 (IV R 8/22) hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass der Buchwertantrag nach § 3 Abs. 2 S. 1 UmwStG in der notariellen Urkunde über die Umwandlung gestellt werden kann, wenn der Notar dem zuständigen Finanzamt nach § 54 Abs. 1 EStDV eine beglaubigte Abschrift übersendet.
Der Entscheidung lag (verkürzt) folgender Fall zugrunde: Die N GmbH hatte zum 31.12.2009 Anteile an einer anderen Gesellschaft erworben und diese durch einen Formwechsel in eine Personengesellschaft umgewandelt. In der notariellen Umwandlungsurkunde wurde der Buchwertansatz gewählt. Aus Sicht des Finanzamts handelte es sich bei dem Passus im Notarvertrag um einen wirksamen Antrag nach § 3 Abs. 2 UmwStG. Da die Urkunde von dem Notar an das Finanzamt übermittelt wurde, sei die Willenserklärung dem Finanzamt tatsächlich zugegangen. Die Einreichung einer steuerlichen Schlussbilanz sei für die Ausübung des Bewertungswahlrechts nicht notwendig. Die Kläger argumentierten, der Buchwertantrag sei weder wirksam gestellt noch wirksam dem Finanzamt zugegangen.
Der BFH entschied, dass zu Recht von einer Buchwertfortführung ausgegangen wurde. Er hat klargestellt, dass der Buchwertantrag nicht an eine besondere Form gebunden ist. Aus dem Gesetzeswortlaut folgt lediglich, dass der Antrag durch die übertragende Körperschaft (bzw. durch den übernehmenden Rechtsträger als Rechtsnachfolger) beim zuständigen Finanzamt gestellt werden muss. Aus diesem Grund können die Vereinbarungen der Parteien im Umwandlungsvertrag regelmäßig nicht als Buchwertantrag verstanden werden. Es fehlt an einer Erklärung der übertragenden Gesellschaft gegenüber dem Finanzamt.
Etwas anderes gilt, wenn die notarielle Urkunde, deren beglaubigte Abschrift der Notar dem Finanzamt übersendet, ausdrücklich eine „Antragsklausel“ enthält, das heißt einen an das Finanzamt gerichteten Antrag auf Buchwertansatz. Im Streitfall wurde im notariellen Umwandlungsbeschluss explizit festgehalten: „Von dem Antragsrecht der Übertragung des Betriebsvermögens zu steuerlichen Buchwerten wird hiermit ausdrücklich Gebrauch gemacht.“ Dadurch sah der BFH die oben genannte Voraussetzung als erfüllt an.
Der BFH entschied darüber hinaus, dass der Buchwertantrag dem Finanzamt wirksam zugegangen ist, als der Notar den Umwandlungsbeschluss gemäß § 54 EStDV übermittelte.
Zudem widersprach der BFH der Auffassung der Kläger, wonach der Buchwertantrag zusätzlich in einer steuerlichen Schlussbilanz enthalten sein müsste. Der schlichte Hinweis auf den Buchwertansatz in der Umwandlungsurkunde genügte, um den Antrag zu wahren.
04.12.2024 von StB Judith Heske
Das Wachstumschancengesetz sowie der Entwurf des Jahressteuergesetzes halten einige Neuerungen für Kleinunternehmer bereit, die im folgenden Artikel dargestellt werden sollen.
Die bisherige Regelung legt fest, dass die Umsatzsteuer, die ein Kleinunternehmer schuldet, nicht erhoben wird, wenn sein Brutto-Umsatz im vorangegangenen Kalenderjahr 22.000,- € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000,- € voraussichtlich nicht übersteigen wird.
An die Erklärung, auf die Kleinunternehmerregelung zu verzichten, ist ein Unternehmer für mindestens 5 Kalenderjahre gebunden. Als Kleinunternehmer musste man bisher außerdem jährlich eine Umsatzsteuerjahreserklärung abgeben. Diese Pflicht wurde mit dem Wachstumschancengesetz bereits abgeschafft. Die letzte abzugebende Umsatzsteuerjahreserklärung ist die für das Jahr 2023, ab 2024 entfällt diese Pflicht.
Aus dem Entwurf des Jahressteuergesetzes 2024 ergeben sich zudem die folgenden möglichen Neuerungen ab dem 01.01.2025:
Die Umsätze eines im Inland oder EU-Ausland ansässigen Unternehmers sind steuerfrei, wenn der Netto-Umsatz im vorangegangenen Kalenderjahr 25.000,- € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 100.000,- € nicht übersteigen wird. Bisher handelte es sich beim Umsatz im laufenden Kalenderjahr um einen prognostizierten Betrag, dessen Überschreitung nicht zwangsläufig zum Verlust der Umsatzsteuerbefreiung für das laufende Jahr führte.
Neu soll nun sein, dass die Umsatzgrenze in Höhe von 100.000,- € eine ‚harte‘ Grenze ist. Eine Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung kommt demnach nicht mehr in Betracht, wenn der Umsatz den Wert von 100.000,- € im Laufe des Jahres überschreitet. Die bis zum Zeitpunkt der Überschreitung bewirkten Umsätze sind jedoch steuerfrei. Die Kleinunternehmerregelung soll außerdem internationalisiert werden. Bisher konnte die Regelung nur von in Deutschland ansässigen Unternehmen in Anspruch genommen werden. Ab dem 01.01.2025 soll die Regelung auch von Kleinunternehmern aus anderen EU-Ländern genutzt werden können. Auch umgekehrt sollen in Deutschland ansässige Unternehmen die Kleinunternehmerregelung in anderen EU-Ländern in Anspruch nehmen können. Hierfür soll ein besonderes Meldeverfahren sowie die Pflicht zur Abgabe von vierteljährlichen Umsatzmeldungen eingeführt werden.
Bitte beachten Sie, dass das Jahressteuergesetz sich noch im Entwurf befindet und nicht final beschlossen wurde. An den zuvor beschriebenen Neuerungen können also noch Änderungen vorgenommen werden.
28.11.2024 von Lisa Niemeyer, Steuerfachangestellte, LL.B. Steuerrecht
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat am 15. Oktober 2024 das finale Schreiben zur Einführung der elektronischen Rechnung veröffentlicht. Hierin erläutert das BMF seine Sichtweise auf die Anforderungen an E-Rechnungen und was ab dem 1. Januar 2025 zu beachten ist.
Rückblick
Im Rahmen des Wachstumschancengesetzes wurde die Einführung der E-Rechnung beschlossen. Ab dem 1. Januar 2025 besteht die Pflicht zum Empfang und zur Archivierung von E-Rechnungen für B2B-Umsätze im Inland ansässiger Unternehmer. Der Versand von E-Rechnungen ist nach einer Übergangszeit von zwei Jahren frühestens ab dem 1. Januar 2027 verpflichtend.
Was ändert sich?
Verpflichtung zur E-Rechnung: Unternehmer, die inländische B2B-Umsätze tätigen, müssen ab dem Jahr 2025 Rechnungen in einem strukturierten elektronischen Format ausstellen und empfangen. Dies umfasst Formate wie XRechnung und ZUGFeRD, die der europäischen Norm EN 16931 entsprechen.
Liegt das Leistungs- und Ausstellungsdatum zwischen dem 1. Januar 2025 und 31. Dezember 2026, ist eine Abrechnung nach derzeit geltender Rechtslage weiterhin zulässig. Für kleinere Unternehmer (Gesamtumsatz in 2026 < 800.000 EUR) verlängert sich die Übergangsregelung bis zum 31. Dezember 2027.
Ausnahmen: Nicht alle Rechnungen sind von der Ausstellungspflicht betroffen. Ausgenommen sind:
- Steuerfreie Umsätze nach § 4 UStG (z. B. Leistungen im Finanz- und Versicherungsbereich),
- Kleinbetragsrechnungen bis 250 Euro und
Die Ausnahme gilt jedoch nur für die Rechnungsausstellung. Als Unternehmer besteht in jedem Fall die Pflicht zum Empfang und zur revisionssicheren Archivierung ab Januar 2025.
Für nähere Details schauen Sie gerne auf unserer Informationsseite vorbei. Dort haben wir alle Informationen für Sie zusammengefasst.
Wie positioniert sich das BMF?
Mit dem am 15. Oktober 2024 veröffentlichten Schreiben hat das BMF Stellung zu seiner Sichtweise zur Einführung der E-Rechnung und zu deren Umsetzung genommen. Im Vergleich zu dem letzten Entwurf wurden in der finalen Fassung noch einige sinnvolle Anpassungen vorgenommen. Hier wurde auf die Rückmeldung der Verbände eingegangen. So wurde das Rückwirkungsgebot für das Ausstellen von E-Rechnungen bei Dauerschuldverhältnissen, Beschränkungen in der elektronischen Übermittlung sowie bürokratische Hürden entschärft bzw. aufgehoben.
Das BMF nimmt wichtige Abgrenzungen zwischen der „Elektronischen Rechnung“ und „Sonstige Rechnung“ vor, sowie gibt Handlungsleitfäden für die Behandlung von Eingangs- und Ausgangsrechnungen ab dem Jahr 2025. Hervorzuheben sind hier insbesondere die folgenden Einzelregelungen:
Verweigert der Rechnungsempfänger die Annahme einer E-Rechnung bzw. ist er technisch hierzu nicht in der Lage, hat er kein Anrecht auf eine alternative Ausstellung. In diesem Fall gelten die Pflichten des Rechnungsausstellers auch als erfüllt, wenn er eine E-Rechnung ausgestellt und sich nachweislich (z. B. anhand eines Sendeprotokolls) um eine ordnungsgemäße Übermittlung bemüht hat.
Verträge bzw. Dauerschuldverhältnisse können auch als Rechnungen angesehen werden. In diesen Fällen ist es ausreichend, wenn einmalig für den ersten Teilleistungszeitraum eine E-Rechnung ausgestellt wird, in welcher der zugrundeliegende Vertrag als Anhang enthalten ist, oder sich aus dem sonstigen Inhalt klar ergibt, dass es sich um eine Dauerrechnung handelt. Änderungen der erstmaligen E-Rechnung brauchen erst zu erfolgen, wenn sich die umsatzsteuerrechtlichen Rechnungspflichtangaben nach §§ 14, 14a UStG ändern (z. B. bei einer Mieterhöhung). Für vor dem 1. Januar 2027 als sonstige Rechnung erteilte Dauerrechnungen besteht keine Pflicht, zusätzlich eine E-Rechnung auszustellen, solange sich die Rechnungsangaben nicht ändern.
Auch bei Rechnungskorrekturen gibt sich das BMF pragmatisch. Bis zum Ablauf der Übergangsfristen können Unternehmer ihre Leistungen auch mit einer sonstigen Rechnung abrechnen (bspw. Papier, PDF). Muss diese Rechnung später korrigiert werden, kann dies in dem sonstigen Format erfolgen. Die Pflicht ab dem 1. Januar 2027 gilt nicht für rückwirkende Sachverhalte.
Der Vorsteuerabzug ist grundsätzlich von einer ordnungsgemäßen Rechnung abhängig. Falls trotz Verpflichtung zur Ausstellung einer E-Rechnung nur eine sonstige Rechnung (z.B. Papierform oder als PDF) ausgestellt wird, besteht insoweit kein Vorsteuerabzug. Hier wird vorerst vom Abzugsverbot abgesehen, solange „die Finanzverwaltung über sämtliche Angaben verfügt, um die materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug zu überprüfen.“
Was Unternehmer jetzt beachten müssen
Wer sich bisher noch nicht um die Einführung der E-Rechnung in seinem Unternehmen gekümmert hat, sollte spätestens das Positionspapier der Finanzverwaltung nun als Anlass nehmen, seine Rechnungs- und Finanzprozesse auf die kommenden Änderungen vorzubereiten.
Zwar wird zum 1. Januar 2025 in einem ersten Schritt nur der Empfang und die revisionssichere Archivierung von E-Rechnungen verpflichtend, dennoch sollten in einer ganzheitlichen Betrachtung alle internen Prozesse auf die E-Rechnung umgestellt werden. Spätestens bei der nächsten Betriebsprüfung oder der Umsatzsteuer-Voranmeldung kann ansonsten Ungemach drohen.
Gerne unterstützen wir Sie bei der Umsetzung der regulatorischen Anforderungen in Ihrem Unternehmen. Sprechen Sie uns gerne an!
18.10.2024 von StB Timo Röhl
Mit Urteil vom 19. Juni 2024 (II R 40/21) hat der BFH entschieden, dass eine allen Gesellschaftern entsprechend ihrer Beteiligungsquote zugerechnete Kapitalrücklage, in die gesellschafterbezogen zuzuordnende disquotale Leistungen erbracht wurden, im Verhältnis der Gesellschafter untereinander einen schenkungsteuerbaren Vorgang auslösen kann.
Der Entscheidung lag folgender Fall zugrunde: Der Kläger war gemeinsam mit seinem Vater und seinem Bruder zu jeweils einem Drittel an einer GmbH beteiligt. Die Gesellschafter beschlossen, Vermögenswerte aus ihrem Privatvermögen einzubringen, die den Kapitalrücklagen zugeführt wurden. Dabei sollte jeder Gesellschafter – abweichend von den Beteiligungsverhältnissen – Eigentümer seines Anteils an den Kapitalrücklagen bleiben.
Entgegen dieser Vereinbarung wurden die Kapitalrücklagen im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung allen Gesellschaftern entsprechend ihren Beteiligungsquoten zugerechnet. Der Vater des Klägers verzichtete dabei auf einen angemessenen Wertausgleich hinsichtlich des von ihm erbrachten Anteils an den Kapitalrücklagen.
Das Finanzamt unterstellte aufgrund des nicht ausgeglichenen Wertverlusts des Vaters eine Schenkung von dem Vater an seine Mitgesellschafter. Das FG Baden-Württemberg (Urteil vom 24. Juni 2020, 7 K 2351/17) war der Ansicht, dass das Finanzamt zu Unrecht von einer Zuwendung ausgegangen sei.
Der BFH führt hingegen aus, dass das Finanzamt zutreffend Schenkungsteuer festgesetzt hat.
Zunächst wird festgestellt, dass eine von den Beteiligungsquoten abweichende Zuordnung der Kapitalrücklage zivilrechtlich zulässig und steuerrechtlich anzuerkennen ist. Dabei wird betont, dass die Kapitalrücklage Bestandteil des Eigenkapitals der Gesellschaft ist und somit allein der Gesellschaft und nicht dem Gesellschafter zusteht. Dennoch kann wirksam vereinbart werden, dass disquotale Einlagen nur dem einlegenden Gesellschafter zustehen.
Ein Verzicht auf einen entsprechenden disquotalen Rückzahlungsanspruch kann laut BFH im Verhältnis der Gesellschafter untereinander einen schenkungsteuerbaren Vorgang auslösen. Der Kläger ist objektiv auf Kosten des Vaters dadurch bereichert worden, dass er die bei seinem Vater aufgrund der Kapitalerhöhung entstandene Wertminderung seines Anteils nicht vollständig ausgleichen musste. Der Vater hat nämlich durch den Verzicht weniger aus den Kapitalrücklagen erhalten, als ihm nach dem ursprünglichen Beschluss zugestanden hätte.
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil der Vorinstanz aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
17.10.2024 von StB Dr. Katharina Linnemann
Neue BSG-Rechtsprechung birgt Prüfungsbedarf für vermeintlich „sichere“ Gestaltungen
Im Rahmen von Betriebsprüfungen stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund zunehmend fest, dass vermeintlich selbständige Tätigkeiten tatsächlich als abhängige Beschäftigung zu qualifizieren sind. Dies hat üblicherweise schmerzliche Folgen für den Auftraggeber, der das Risiko der Haftung für nicht gezahlte Sozialversicherungsbeiträge und Säumniszuschläge trägt.
Selbstständig ist im Allgemeinen jemand, der unternehmerische Entscheidungsfreiheit genießt. Solche Personen tragen ein unternehmerisches Risiko, arbeiten auf eigene Rechnung im eigenen Namen, nehmen unternehmerische Chancen wahr und können für ihre Tätigkeit Eigenwerbung betreiben. Der Erfolg des finanziellen und persönlichen Einsatzes ist dabei ungewiss und hängt nicht von anderen Beteiligten und deren Vorgaben ab. Selbstständige gestalten ihre Tätigkeit im Wesentlichen frei und bestimmen selbst ihre Arbeitszeit und ihren Arbeitsort. Bei Scheinselbstständigen ist das nicht der Fall. Das BSG stellt bei der Beurteilung des Vorliegens einer (nicht)selbständigen Tätigkeit auf das Gesamtbild der Leistungserbringung im Einzelfall anhand der genannten Kriterien ab.
Ein bislang taugliches Mittel, eine Scheinselbständigkeit zu umgehen, war eine Auftragserteilung nicht an eine natürliche Person als „Selbständigen“, sondern an eine von diesem gegründete Ein-Personen-Kapitalgesellschaft, in der dieser als 100% beteiligter Gesellschaftergeschäftsführer tätig ist. Ein unmittelbares Vertragsverhältnis zwischen Auftraggeber und dem „Selbständigen“ als natürliche Person ist dann nicht gegeben.
Die Problematik des Gesellschaftergeschäftsführers, der die Gesellschaft nicht beherrscht, ist damit umschifft (vgl. etwa BSG, Urt. B 12 KR 37/19 vom 01.02.2022). Jedoch ist die genannte Gestaltung des 100% Gesellschaftergeschäftsführers in der Ein-Personen-Kapitalgesellschaft keine sichere Gestaltung (mehr) gegen eine, regelmäßig ungewollte, Sozialversicherungspflicht.
Auch in den zuletzt entschiedenen Fällen (vgl. BSG, Urteile B 12 BA 1/23, B 12 R 15/21 R und B 12 BA 4/22 R vom 20.07.2023) verwies das BSG auf das Gesamtbild der Tätigkeit der natürlichen Person. Es stellt fest, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht zwingend dadurch ausgeschlossen ist, dass eine Vertragsbeziehung zwischen dem Auftraggeber und einer Ein-Personen-Kapitalgesellschaft besteht, wenn der Gesellschaftergeschäftsführer die Tätigkeit persönlich erbringt. Vielmehr seien auch in diesen Konstellationen für die Abgrenzung einer abhängigen von einer selbstständigen Tätigkeit die jeweiligen konkreten tatsächlichen Umstände der Tätigkeit nach einer Gesamtabwägung anhand der genannten Kriterien maßgeblich.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund wird von dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung umfassend Gebrauch machen. Eine rechtssichere Feststellung, ob eine abhängige, oder selbständige Tätigkeit vorliegt, lässt sich daher auch in solchen Konstellationen nur nach Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens treffen.
13.09.2024 von RA Philipp Dietz
Unternehmensgruppe übernimmt E-Commerce Anbieter
Für die in Geldern ansässige Styleboom Textilhandels GmbH & Co. KG ist unserem Rechtsanwalt und Partner Dr. Peter Minuth jetzt eine umfassende Sanierungslösung gelungen.
Die seit 2009 im Markt etablierte Styleboom betreibt ein Online Fashion Store unter der Marke 77 Urban Streetwear, die auf preisattraktive Mode für Männer, Frauen und Kinder fokussiert ist. Neben 48 renommierten Fremdmarken wie Only oder Vero Moda vertreibt Styleboom auch sechs Eigenmarken. Zuletzt konnte Styleboom mit 80 hochqualifizierten Mitarbeitern Jahresumsätze von mehr als 50 mio. EUR erzielen.
Aufgrund von Umsatzschwankungen ist das Unternehmen in eine Liquiditätskrise geraten. Ende Mai 2024 wurde deshalb Rechtsanwalt Dr. Peter Minuth zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt, in dessen Verantwortung das Unternehmen in vollem Umfang fortgeführt wurde.
Im Anschluss an einen international geführten Investorenprozess ist es jetzt gelungen, mit einer europaweit aufgestellten Unternehmensgruppe für Styleboom eine umfassende Sanierungslösung zu vereinbaren, durch die der Standort Geldern fortgeführt wird. Zu den Einzelheiten des Vertrages haben die Parteien Stillschweigen vereinbart.
Dr. Peter Minuth hierzu: „Über diesen Erfolg freue ich mich außerordentlich. Es ist im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld des Fashion Retail nicht selbstverständlich, dass eine so umfassende Fortführungslösung gelingt. Ich bin überzeugt, dass Styleboom mit seinem hochmodernen Setup in Geldern eine exzellente Ausgangsbasis bietet, um den weiteren unternehmerischen Weg fortzusetzen. Bei allen Beteiligten, insbesondere den Mitarbeitern von Styleboom, bedanke ich mich sehr für die harte Arbeit der letzten Wochen. Ich wünsche dem Unternehmen auf seinem weiteren Weg viel Erfolg.“
Berater Insolvenzverwalter: Taylor Wessing
Berater Verkäufer: Saxenhammer Berlin
Berater Käufer: Streitbörger Bielefeld
Berater Vermieter: Herbert Smith Freehills
01.09.2024 über Dr. Peter Minuth
Mit Urteil vom 16. April 2024 (8 K 8073/22) hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg entschieden, dass das Abzugsverbot des § 8b Abs. 3 S. 4 ff. KStG allein substanzbedingte Gewinnminderungen durch Darlehen bzw. Sicherheitsleistungen, nicht aber die laufenden Zinsaufwendungen betrifft.
Der Entscheidung lag folgender Fall zugrunde: Die Klägerin gewährte ihrer Schwestergesellschaft Darlehen. Zur Vermeidung einer etwaigen Überschuldung der Schwestergesellschaft wurde diesbezüglich ein Rangrücktritt vereinbart. Zusätzlich verzichtete die Klägerin auf Zinsen. Die Forderungen wurden vollständig im Wege einer Teilwertabschreibung gemindert. Die Zinsforderungen wurden ebenfalls gewinnmindernd ausgebucht.
An beiden Gesellschaften waren ausschließlich natürliche Personen beteiligt.
Das Finanzamt kam im Rahmen einer Betriebsprüfung zu dem Ergebnis, dass die entsprechenden Gewinnminderungen insgesamt gemäß § 8b Abs. 3 S. 3-7 KStG nicht zu berücksichtigen seien. Die Klägerin wandte dagegen ein, dass die Vereinbarungen einem Fremdvergleich standhalten würden und zudem nur das Darlehen selbst, nicht aber die Zinsen von § 8b Abs. 3 KStG erfasst werden könnten. Insbesondere sei nicht vertretbar, Zinsen zunächst als Ertrag zu verbuchen und bei Nichtzahlung eine nichtsteuerbare Teilwertabschreibung vorzunehmen.
Das Finanzgericht führte entgegen der zum Teil in der Literatur vertretenen Auffassung zunächst aus, dass zwischen den Schwestergesellschaften auch bei Beteiligung ausschließlich natürlicher Personen an beiden Gesellschaften ein Näheverhältnis im Sinne des § 8b Abs. 3 S. 5 KStG i.V.m. § 1 Abs. 2 AStG bestand.
Einen überzeugenden Nachweis der Fremdüblichkeit im Sinne des § 8b Abs. 3 S. 7 KStG nahm das Finanzgericht nicht an.
Ungeachtet dessen kam das Finanzgericht jedoch zu der Entscheidung, dass die Gewinnminderungen aus den Zinsforderungen weder von § 8b Abs. 3 S. 4 KStG noch von S. 8 zu erfassen sind. Allein substanzbedingte Gewinnminderungen durch Darlehen bzw. Sicherheitsleistungen sind von dem Abzugsverbot betroffen.
Gegen die Entscheidung des Finanzgerichts wurde Revision beim BFH eingelegt (Az. I R 11/24).
15.08.2024 von StB Dr. Katharina Linnemann
Die Antragsveranlagung nach §50 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 lit. b EStG ermöglicht die freiwillige Abgabe einer Einkommensteuererklärung für beschränkt Steuerpflichtige, um Werbungskosten, die mit den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Deutschland im Zusammenhang stehen, berücksichtigen zu können. Die Möglichkeit der Antragsveranlagung ist nach §50 Abs. 2 S. 7 EStG nur für Staatsangehörige der EU-Mitgliedsstaaten und Staaten des EWR-Raums mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem dieser Staaten vorgesehen.
Der EUGH hatte kürzlich zu entscheiden, ob diese Regelung ein Verstoß gegen die Freizügigkeit nach dem Abkommen zwischen der europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedsstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (FZA) darstellt. Nach Wortlaut des §50 Abs. 2 S. 7 EStG gilt die Antragsveranlagung nicht für Staatsangehörige der EU-Mitgliedsstaaten und Staaten des EWR-Raums mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz.Hierfür ist die Anwendbarkeit des FZA sowie die Vergleichbarkeit der Sachverhalte zu prüfen. Grundsätzlich gilt, dass persönliche Umstände eines in Deutschland ansässigen und eines im Ausland ansässigen Steuerpflichtigen nicht miteinander verglichen werden können. Da im vorliegenden Fall jedoch auf Grund der gesetzlichen Regelung im §50 Abs. 2 S. 7 EStG die persönlichen Umstände eines EU/EWR Staatsangehörigen mit Wohnsitz/gewöhnlichen Aufenthalt in einem dieser Länder mit den persönlichen Umständen eines in Deutschland ansässigen unbeschränkt Steuerpflichtigen vergleichen werden können, ist fraglich, ob dies für EU/EWR Staatsangehörige mit Wohnsitz/gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz nicht auch gelten sollte.
Der EUGH kam zu dem Entschluss, dass das FZA anzuwenden ist.
Darüber hinaus stellte er fest, dass die Vergleichbarkeit der Sachverhalte geben ist. Die aktuelle Regelung stellt demnach eine Diskriminierung von EU/EWR Staatsangehörigen mit Wohnsitz/gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz gegenüber EU/EWR Staatsangehörigen mit Wohnsitz/gewöhnlichen Aufenthalt in der EU/dem EWR-Raum da. Dieser Diskriminierung ist Abhilfe zu schaffen.
Wie und wann Deutschland das Urteil umsetzen wird, ob in Form eines BMF-Schreibens oder durch Änderung des Gesetzestextes, bleibt abzuwarten. Eine Antragsveranlagung eines EU/EWR-Staatsangehörigen mit Wohnsitz in der Schweiz ist unter Bezugnahme auf das EUGH-Urteil (EUG 30.05.2024, C-627/22) bereits möglich.
07.08.2024 von StB Constanze Hoberg
Mit Urteil vom 5. Juni 2024 (VI R 20/22) hat der BFH entschieden, dass Tantiemeforderungen, die in festgestellten Jahresabschlüssen nicht ausgewiesen sind, dem beherrschenden GesellschafterGeschäftsführer nicht zufließen, auch wenn eine dahingehende Verbindlichkeit nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung in den Jahresabschlüssen hätte gebildet werden müssen.
Der Entscheidung lag folgender Fall zugrunde: Der Kläger ist alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. Laut Geschäftsführervertrag erhält der Kläger eine jährliche Tantieme. Die Tantiemen wurden dem Geschäftsführer weder ausgezahlt, noch wurde hierfür ein Passivposten gebildet. In den Einkommensteuererklärungen wurde kein Zufluss der Tantiemen erklärt.
Das Finanzamt ging davon aus, dass die Tantiemen als Arbeitslohn zu versteuern sein und änderte die Einkommensteuerbescheide. Das Finanzgericht Baden-Württemberg (12 K 58/20) widersprach und entschied, dass vereinbarte, aber nicht ausgezahlte Tantiemen einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer nicht zufließen, wenn bei der Gesellschaft keine entsprechende Verbindlichkeit passiviert worden sei. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung kann bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern ein Zufluss von Einnahmen auch ohne Zahlung oder Gutschrift vorliegen und zwar bereits bei Fälligkeit. Von dieser Zuflussfiktion werden jedoch nur Vergütungen erfasst, die sich bei der Ermittlung des Einkommens der Kapitalgesellschaft ausgewirkt haben. Dies war im vorliegenden Fall nicht gegeben, so dass der BFH hier keinen Zufluss angenommen hat. Damit widerspricht er der Auffassung des BMF (BStBl. I 2014, 860).
Ob dem Gesellschafter-Geschäftsführer die Forderungswerte der Tantiemeansprüche dennoch zugeflossen sind, weil durch einen Verzicht auf den gegebenenfalls bereits entstandenen Tantiemeanspruch eine verdeckte Einlage erbracht wurde, war für den BFH aus den Feststellungen des Finanzgerichts nicht ersichtlich. In dem Fall käme es auch nicht darauf an, ob zuvor eine Verbindlichkeit passiviert wurde. Die Sache wird daher an das Finanzgerichtzurückverwiesen.
17.07.2024 von StB Judith Heske
Durch das Voranschreiten des digitalen Zeitalters und als Folge der Covid-Pandemie ist die Möglichkeit des Arbeitens im Homeoffice weit verbreitet. Doch was hat das für Konsequenzen für das Unternehmen, das seinen Mitarbeitern die Möglichkeit des Homeoffice gewährt? Gibt es Konsequenzen, die nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind? Insbesondere bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ausländischer Unternehmen könnte eine gut gemeinte Gewährung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes weitreichende Konsequenzen haben. Betriebsstätte – ja oder nein? Ausländische Unternehmen, deren Mitarbeiter ausschließlich in Deutschland im Homeoffice arbeiten, müssen sich dabei erstmal einer grundsätzlichen Problematik widmen: Wird eine Betriebsstätte begründet? Dies hat nicht nur Auswirkung auf die naheliegende Fragestellung, ob ein inländischer Arbeitgeber vorliegt, sondern auch auf die Steuerpflicht des Unternehmens.
Grundsätzlich ist eine Betriebsstätte definiert als eine feste Geschäftseinrichtung, die der Tätigkeit des Unternehmens dient. Darüber hinaus gibt es noch weitere Möglichkeiten, wie eine Betriebsstätte begründet werden kann. Auch ein permanenter Vertreter in Deutschland kann eine Betriebsstätte, sog. Vertreterbetriebsstätte, begründen. Ob eine Betriebsstätte begründet wird, ist daher immer im Detail zu prüfen. Sollte keine Betriebsstätte vorliegen, sind die Konsequenzen überschaubar. Das Unternehmen tritt als ausländischer Arbeitgeber auf und es wird regelmäßig keine Steuerpflicht ausgelöst.
Liegt hingegen eine Betriebsstätte vor, tritt das Unternehmen als inländischer Arbeitgeber auf, mit allen Rechten und Pflichten eines inländischen Unternehmens. Zudem wird durch die Begründung einer Betriebsstätte auch eine beschränkte Steuerpflicht des Unternehmens ausgelöst. Dabei geht die laufende Besteuerung zwar mit Verpflichtungen und Arbeitsaufwand einher. Die schwerwiegenden Konsequenzen entstehen jedoch bei Aufgabe dieser Betriebsstätte: Deutschland hat eine sog. Wegzugsbesteuerung und eine sog. Besteuerung von Entstrickungstatbeständen. Diese können u. A. dazu führen, dass die Aufgabe der Betriebsstätte oder die Verlagerung einzelner in Deutschland erschaffener Wirtschaftsgüter, insbesondere immaterielle Wirtschaftsgüter, wie Software, der Besteuerung zum Zeitpunkt des Wegfalls bzw. der Verlagerung besteuert werden können. Die entscheidende Frage ist: Was löst diese „versteckte“ Besteuerung aus? Der Wegfall einer Betriebsstätte kann durch verschiedene Tatbestände ausgelöst werden. Problematisch sind die Fälle, in denen das Unternehmen keinen Einfluss auf diese Entscheidung hat. So könnte die Kündigung oder der Wegzug des Arbeitnehmers in ein anderes Land dazu führen, dass eine solche Besteuerung ausgelöst wird. Diese möglichen Konsequenzen sollten bei der Bewilligung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes in Deutschland nicht unberücksichtigt bleiben.
04.07.2024 von StB Constanze Hoberg
Ab dem Jahr 2025 wird die elektronische Rechnung in Deutschland verpflichtend eingeführt. Diese Maßnahme soll einen bedeutenden Schritt in Richtung Digitalisierung und Effizienzsteigerung darstellen. Der Umstieg auf die E-Rechnung bringt zahlreiche Vorteile, erfordert jedoch auch einige Anpassungen seitens der Unternehmen. In diesem Artikel werfen wir einen detaillierten Blick auf die neue Regelung, die Vorteile, Herausforderungen und die notwendigen Schritte zur Implementierung.
Hintergrund der neuen Regelung
Die Einführung der E-Rechnung ist Teil der Bemühungen der Bundesregierung, den bürokratischen Aufwand zu reduzieren und die Digitalisierung voranzutreiben. Mit der EU-Richtlinie 2014/55/EU wurde bereits der Grundstein gelegt und ab 2025 erfolgt die schrittweise Einführung in Deutschland.
Vorteile der E-Rechnung
- Effizienz und Kostenersparnis
- Fehlerreduktion
- Nachhaltigkeit
- Rechtssicherheit und Transparenz
- Einhaltung der GoBD‘s
Herausforderungen und notwendige Anpassungen
Technische Voraussetzungen
Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre IT-Infrastruktur den Anforderungen der E-Rechnung gerecht wird. Dies beinhaltet die Anschaffung entsprechender Softwarelösungen und die Schulung der Mitarbeiter im Umgang mit diesen Systemen.
Datenschutz und Sicherheit
Mit der Digitalisierung steigen auch die Anforderungen an den Datenschutz und die Datensicherheit. Unternehmen müssen Maßnahmen ergreifen, um die Sicherheit der sensiblen Daten zu gewährleisten und den Anforderungen der DSGVO gerechtzu werden. 1 von 2
Anpassung der Geschäftsprozesse
Die Umstellung auf E-Rechnungen erfordert eine Anpassung der bestehenden Geschäftsprozesse. Unternehmen müssen ihre internen Abläufe überprüfen und gegebenenfalls optimieren, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten.
Fazit
Die verpflichtende Einführung der E-Rechnung ab dem Jahr 2025 ist ein bedeutender Schritt, der zu einschneidenden Änderungen in den Unternehmen führen wird. Es bestehen zwar einige Vorteile, jedoch müssen auch einige Hürden vorab übersprungen werden. Mit einer sorgfältigen Planung und der richtigen Vorbereitung ist die Umstellung jedoch erfolgreich möglich. Die Zukunft des Rechnungswesens ist digital – und gerne begleiten wir Sie auf dem Weg! Vor diesem Hintergrund werden wir Sie in den kommenden Wochen mit zahlreichen Info-Materialen über die rechtliche und technische Umsetzung informieren und bei der Anpassung Ihrer Prozesse unterstützen.
20.06.2024 von Melanie Mili & StB Timo Röhl
Mit Urteil vom 24. April 2024 (IV R 27/21) hat der BFH entschieden, dass § 8c Abs. 1 S. 1 KStG aF nicht auf verrechenbare Verluste gemäß § 15a Abs. 4 EStG anwendbar ist, die einer Kapitalgesellschaft als Mitunternehmerin einer Kommanditgesellschaft zugerechnet werden.
Der Entscheidung lag folgender Fall zugrunde: Die X-GmbH war im Jahr 2014 als Kommanditistin an der B-KG beteiligt. Die B-KG hatte in den vorausgegangenen Jahren hohe Verluste erlitten, die der X-GmbH als Mitunternehmerin anteilig zugerechnet worden waren. Die Verlustanteile unterlagen der steuerlichen Abzugsbeschränkung nach § 15a EStG, so dass für die X-GmbH als Gesellschafterin ein verrechenbarer Verlust i. S. des § 15a Abs. 4 EStG gesondert festgestellt wurde.
Die Anteile an der X-GmbH wurden vollständig von der A-AG gehalten. Diese hatte im Jahr 2013 Insolvenz angemeldet. Das Insolvenzverfahren wurde im Jahr 2014 aufgehoben. Als wesentliche Sanierungsmaßnahme wurde auf der Ebene der A-AG ein Debt-Equity-Swap durchgeführt, aufgrund dessen es bei ihr zu einem vollständigen Anteilseignerwechsel kam. Entsprechend des BMF-Schreibens vom 4.7.2008 (Tz. 2) ging das Finanzamt davon aus, dass der Verlust nach § 15a EStG um den Verlust zu kürzen wäre, der auf den Zeitraum vor dem Anteilseignerwechsel entfällt. Das Finanzgericht Köln (Urt. v. 28.10.2021, 1 K 2563/17) entscheid hingegen im Sinne der X-GmbH.
Der BFH folgte der Auffassung des Finanzgerichtes. Unstreitig lag ein schädlicher Beteiligungswechsel vor. Für die Kürzung mangelt es jedoch an einer Rechtsgrundlage, da § 8c KStG aF nicht auf verrechenbare Verluste nach § 15a EStG anwendbar ist Es handelt sich weder um Verluste einer Körperschaft noch um nicht genutzte Verluste i. S. d, § 8c Abs. 1 S. 1 KStG aF. Die Verluste sind zwar materiell-rechtlich der X-GmbH zuzurechnen, es handelt sich jedoch um nicht genutzte Verluste der B-KG. Diese können erst nach dem schädlichen Beteiligungswechsel genutzt werden, wenn die B-KG Gewinne erzielt und haben die Mitunternehmerin wirtschaftlich nicht belastet.
Hier liegt der Unterschied zu den Verlusten einer Körperschaft, bei denen der alte Anteilseigner die Verluste getragen hätte und der neue Anteilseigner diese nutzen könnte. Um dies zu vermeiden, ist die Verlustnutzung durch § 8c KStG eingeschränkt. § 8c KStG liegt damit ein anderer Ansatz zugrunde und findet für die Verluste nach § 15a Abs. 4 EStG keine Anwendung.
17.06.2024 von StB Judith Heske
Dealnews – ADKL hat Nimbus hands-on investor beim Kauf von 100% der Anteile an der Lonstroff AG von Sumitomo Rubber Industries, Ltd. beraten.
Neben der Durchführung der Financial und Tax Due Diligence haben ein Team um Tim Blome, Judith Heske und Kevin van Soest insb. auch bei der Dealstrukturierung und den kaufmännischen und steuerlichen Passagen des Kaufvertrages, sowie bei der Akquisitions- und Working Capital Finanzierung durch #Patrimonium Asset Management AG, beraten.
Lonstroff ist in der Elastomerverarbeitung ein weltweit bedeutendes Unternehmen und entwickelt und produziert seit 1908 hochwertige Komponenten aus Elastomeren für die medizintechnischen und pharmazeutischen Industrien. Lonstroff mit Hauptsitz in Merenschwand (AG) in der Schweiz betreibt zwei Standorte in der Schweiz und einen weiteren Produktionsstandort in Slowenien und beschäftigt über 300 Mitarbeiter.
Nimbus investiert in Unternehmen, die sich in ihrer Entwicklung am Scheideweg befinden – z.B. Konzern Carve-outs wie Lonstroff. Nimbus verwaltet derzeit rund 30 Unternehmen mit Umsätzen zwischen 30 und 300 Millionen Euro in der DACH Region, BeNeLux und UK. Das börsennotierte japanische Unternehmen Sumitomo Rubber Industries ist einer der weltweit größten Hersteller von Reifen und Gummiprodukten für verschiedene Anwendungen.
04.04.2024 von WP und StB Tim Blome
Nach unseren Newsblogeinträgen vom 20.10.2023 und 25.04.2023 möchten wir Sie über aktuelle Fortschritte im Zusammenhang mit dem Wachstumschancengesetz informieren. Der Bundesrat hat dem Wachstumschancengesetz am 22.03.2024 zugestimmt – die Einführung der E-Rechnungspflicht ist nun absehbar.
Das Gesetzgebungsverfahren über das Wachstumschancengesetz, welches die E-Rechnungspflicht enthält, ist um einen wichtigen Schritt weitergekommen. Nach Anrufung des Vermittlungsausschusses hat der Bundesrat dem Gesetzesentwurf am 22.03.2024 zugestimmt. Eine E-Rechnungspflicht wird nun stufenweise ab 2025 eingeführt. Hierzu muss das Gesetzt lediglich noch final verkündet werden.
Die Pflicht zur Ausstellung einer E-Rechnung umfasst ab 01.01.2025 grundsätzlich alle nationalen Umsätze zwischen Unternehmern (B2B). Ausnahmen von der E-Rechnungspflicht bilden einzig Kleinbetragsrechnungen und Rechnungen über Fahrausweise.
Das Gesetz definiert genau, was als E-Rechnung gilt, wobei die Formatanforderungen beispielsweise von der XRechnung oder dem hybriden ZUGFeRD-Format erfüllt werden. Das Bundesministerium der Finanzen hat dies in seinem Schreiben vom 2. Oktober 2023 ausdrücklich bestätigt (für ZUGFeRD ab Version 2.0.1). Auch andere Rechnungsformate können grundsätzlich die Anforderungen erfüllen. So wird auch aktuell die Zulässigkeit von EDIRechnungen geprüft. Die E-Rechnungspflicht tritt am 01.01.2025 in Kraft. Es gibt Übergangsregelungen – jedoch nur für den Rechnungsaussteller. Inländische Rechnungsempfänger sind ab Beginn des Jahres 2025 uneingeschränkt zum Empfang von E-Rechnungen verpflichtet, sofern sie Leistungen von anderen inländischen Unternehmen erhalten.
Für Rechnungsaussteller gelten folgende Übergangsregelungen:
- In den Jahren 2025 und 2026 sind neben E-Rechnungen auch weiterhin Papierrechnungen und sonstige elektronische Rechnungen1 zulässig.
- Im Jahr 2027 dürfen inländische Unternehmer mit einem Gesamtumsatz von bis zu 800.000 € im Jahr 2026 auch weiterhin Papierrechnungen und sonstige elektronische Rechnungen2 ausstellen.
- Bis inklusive 2027 dürfen weiterhin auch EDI-Rechnungen3 ausgestellt werden. 1,2,3 nur mit Zustimmung des Rechnungsempfängers 1 von 2 E-Rechnungs-Pflicht in Deutschland ab 2025 27. März 2024
Der Bundesrat hatte sich zuletzt für eine Verschiebung des Umsetzungszeitpunkts der obligatorischen E-Rechnung um zwei Jahre ausgesprochen. In den Ausschussberatungen wurden Bedenken geäußert, ob die erforderlichen Maßnahmen rechtzeitig umgesetzt werden können. Das Wachstumschancengesetz, dem nun auch der Bundesrat am 22. März 2024 zugestimmt hat, enthält jedoch keine Anpassung der genannten Übergangsregelungen. Eine digitale Reporting-Verpflichtung ist im Wachstumschancengesetz nicht enthalten und soll erst in einem zweiten Schritt eingeführt werden. Auf europäischer Ebene wird ebenfalls über eine Verschiebung diskutiert. Die EU-weite Einführung einer E-Rechnungspflicht zusammen mit einem transaktionalen grenzüberschreitenden Meldesystem könnte sich um zwei bis vier Jahre verzögern.
Die Entwicklungen hinsichtlich eines Reporting-Systems bleiben abzuwarten. Auf die Einführung der E-Rechnung muss sich jedoch bereits zeitnah eingestellt werden. Zwar wird die E-Rechnungspflicht aufgrund der Übergangsvorschriften die meisten Rechnungsaussteller erst ab dem Jahr 2027 betreffen. Inländische Unternehmen müssen sich jedoch so aufstellen, dass der Empfang von E-Rechnungen bereits uneingeschränkt ab dem 01.01.2025 möglich sein wird.
27.03.2024 von StB T. Eggierth und M. Mili
Mit Urteil vom 23. August 2023 (9 K 2166/21) hat das Finanzgericht Münster entschieden, dass § 8c Abs. 1 KStG 2002 n. F. teleologisch und verfassungskonform zu reduzieren ist, wenn der Beteiligungserwerb nicht zu einem change of control führt.
Der Entscheidung lag folgender Fall zugrunde: Die Klägerin war eine inländische GmbH. Innerhalb von fünf Jahren kam es wiederholt zu Anteilsübertragungen an dieser GmbH sowie zu einer Kapitalerhöhung. Die Mehrheitsgesellschafterin (C-GmbH) war in diesem Zeitraum durchgehend zu mehr als 50 % an der Klägerin beteiligt.
Nach Auffassung des Finanzamts waren ein Anteilserwerb der C-GmbH in Höhe von 49,8 % und die Übernahme neuer Anteile in Höhe von 7,59 % im Zuge einer Kapitalerhöhung zusammenzurechnen. Demnach sollten die Voraussetzungen für einen schädlichen Beteiligungswechsel entsprechend des Gesetzeswortlauts erfüllt sein. Die Frage, ob der Erwerber die Körperschaft beherrsche oder auch nur beherrschen könne, seien nach dem Gesetz nicht entscheidend. Maßgebend sei allein der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an den Anteile.
Das Finanzgericht Münster folgte der Auffassung des Finanzamtes nicht. Dem Wortlaut des Gesetzes nach war im vorliegenden Fall zwar ein schädlicher Beteiligungswechsel gegeben. Dennoch kommt es nach Auffassung des Finanzgerichts nicht zu einem Verlustuntergang, weil § 8c Abs. KStG 2002 n. F. teleologisch und verfassungskonform zu reduzieren ist.
8c KStG 2002 liegt seit seiner Einführung typisierend der Gedanke zugrunde, dass sich die wirtschaftliche Identität einer Kapitalgesellschaft durch das neue Engagement eines qualifiziert beteiligten Anteilseigners verändert. Der Norm liegt damit der Grundgedanke eines change of control zugrunde, der durch die Anteilsübertragungen eintreten muss. Dies sei bei der Auslegung zu berücksichtigen.
Ergänzend weist das Finanzgericht darauf hin, dass der vorliegende Fall mit den Fällen des § 8c Satz 1 KSt 2002 in der Fassung des Unternehmenssteuerreformgesetzes vergleichbar ist, wonach ein anteiliger Verlustuntergang bei einem schädlichen Beteiligungswechsel zwischen 25 % und 50 % vorgesehen war. In diesen Fällen war ein teilweiser Verlustuntergang mangels change of control verfassungsrechtlich nicht begründbar, so dass dies im vorliegenden Fall nach Auffassung des Finanzgerichts ebenfalls gelten musss. Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt, so dass die Entscheidung des Bundesfinanzhofes abzuwarten bleibt (I R 53/23). 1 von 1 >
26.03.2024 von StB Judith Heske
Ein Leuchtturmprojekt für ADKL: Als gerichtlich bestellter Verschmelzungsprüfer haben wir die Bewertungen und damit das Aktien-Umtauschverhältnis geprüft. Die Vitesco-Aktionäre erhalten für 5 Aktien 57 Aktien der Schaeffler AG. Das ist nach unserer Auffassung angemessen.
Die Schaeffler-Gruppe ist ein global tätiger Automobil- und Industriezulieferer. Schaeffler entwickelt und produziert Komponenten, Systeme und Services für Antriebsstränge und Fahrwerke sowie Wälz- und Gleitlagerlösungen für eine Vielzahl von Industrieanwendungen. Zudem bietet das Unternehmen Reparaturlösungen in Erstausrüsterqualität für den weltweiten automobilen Ersatzteilmarkt an. Schaeffler erzielte 2023 mit rd. 81.300 Mitarbeitern Umsatzerlöse von € 16,3 Mrd., schwerpunktmäßig in den Regionen Europa (insbesondere Deutschland), Americas und Greater China.
Die Vitesco-Gruppe ist ein Anbieter von modernen Antriebstechnologien und Elektrifizierungslösungen für nachhaltige Mobilität. Das Produktportfolio umfasst elektrische Antriebe, elektronische Steuerungen, Sensoren und Aktuatoren sowie Lösungen zur Abgasnachbehandlung. Vitesco Technologies erzielte 2023 mit rd. 35.500 Mitarbeitern Umsatzerlöse von € 9,2 Mrd., schwerpunktmäßig in den Regionen Deutschland, Europa ohne Deutschland, Nordamerika und Asien.
Die Aktien beider Unternehmen werden an Börsen gehandelt und sind in wichtigen Aktienindizes enthalten.
ADKL hat mit der Prüfung nach der Bestellung im Dezember 2023 durch das Landgericht Nürnberg-Fürth begonnen und musste innerhalb von weniger als drei Monaten zu einem Ergebnis kommen. Unter Führung des für den Bereich Corporate Finance zuständigen ADKL-Vorstands WP Wolfram Wagner wurde ein multidisziplinäres Team aufgestellt: WP Uli Kühnen und WP Axel Augustin aus dem Bereich CF mit langjährigen Erfahrungen in der Unternehmensbewertung sowie der IFRS-Rechnungslegung, WP Thomas Jorde mit besonderer Branchenerfahrung in der Autozulieferindustrie sowie WP Philipp Bracht (Qualitätssicherung). StB Judith Heske und StB Timo Roehl haben sich mit steuerlichen Fragestellungen der Bewertung auseinandergesetzt. Komplettiert wurde das Team von drei Consultants.
Am 12. März haben wir unseren Prüfungsbericht finalisiert. Die Bewertungen beider Unternehmen müssen nochmals am 24. April vor der Hauptversammlung von Vitesco Technologies überprüft werden. Die Hauptversammlung von Schaeffler wird einen Tag später stattfinden.
26.03.2024 von WP Axel Augustin
Mit Urteil vom 6. September 2023 (I R 16/21) hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass die in § 8b Abs. 4 S. 6 KStG angeführte Beteiligungsschwelle (10 % des Grund- oder Stammkapitals) durch einen aus Sicht des Erwerbers wirtschaftlich einheitlichen Erwerbsvorgang auch dann erreicht werden kann, wenn an diesem Vorgang mehrere Veräußerer beteiligt sind.
Der Entscheidung lag folgender Fall zugrunde: Die Klägerin (eine Kommanditgesellschaft) hatte nach ihrer Gründung im Jahr 2013 sämtliche Anteile an der A-GmbH erworben und mit dieser als Organträgerin einen ab dem 1. Januar 2014 geltenden Ergebnisabführungsvertrag geschlossen. Im Jahr 2014 erwarb unter anderem die E-GmbH 12,94 % des Kapitals der Klägerin, wobei der Erwerb von drei Alt-Vorschaltgesellschaften erfolgte. Der Erwerb der E-GmbH der drei Alt-Vorschaltgesellschaften zu jeweils 5,21 %, 1,76 % und 5,97 % erfolgte in einer notariellen Urkunde. Das wirtschaftliche Eigentum und die Gesellschaftsrechte gingen noch im gleichen Jahr über.
Im Jahr 2014 flossen der Klägerin Mehrabführungen aus vororganschaftlicher Zeit zu, die von der Klägerin nach § 8b Abs. 1 KStG als steuerfreieGewinnausschüttung behandeltwurden. Das Finanzamt verneinte das Vorliegen der Steuerbefreiung mit der Begründung, dass die E-GmbH ihre Anteile in Höhe von 12,94 % unterjährig von drei verschiedenen Veräußerern erworben und keiner der drei Anteile die Beteiligungsschwelle von 10 % erreicht habe.
Der BFH hingegen wies die Revision als unbegründet zurück. Nach seiner Auffassung kann die Beteiligungsschwelle auch durch einen aus Sicht des Erwerbers wirtschaftlich einheitlichen Erwerbsvorgang (sog. Blockerwerb) erreicht werden, wenn an diesem Vorgang mehrere Veräußerer beteiligt sind. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Vorstellung gehabt habe, der Erwerb der Beteiligung dürfe nur von einem Veräußerer erfolgen, sind aus Sicht des BFH nicht erkennbar.
Das Urteil ist zu begrüßen. Da der BFH jedoch in seiner Entscheidung an die Feststellung des Finanzgerichts zum wirtschaftlich einheitlichen Erwerbsvorgang gebunden war, hat er zu den Voraussetzungen für einen einheitlichen Erwerbsvorgang keine Stellung genommen. Für die Gewerbesteuer hat das Urteil keine Relevanz, da für die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2a GewStG weiterhin die notwendige Beteiligungshöhe bereitszu Beginn des Erhebungszeitraums vorliegen muss.
07.03.2024 von StB Judith Heske
Hintergrund
Um die Vorsteuerabzugsberechtigung aus Eingangsleistungen zu ermitteln, ist zunächst zu versuchen, jede Eingangsleistung direkt einer Ausgangsleistung zuzuordnen. Die Berechtigung ergibt sich entsprechend der Ausgangsleistung – entweder vollständig oder gar nicht. Wenn eine direkte Zuordnung zu einzelnen Ausgangsleistungen nicht möglich ist, kann der Unternehmer den Vorsteuerabzug dennoch (teilweise) vornehmen, wenn die Eingangsleistung seiner gesamten unternehmerischen Tätigkeit direkt zugeordnet werden kann.
Im Falle einer Zuordnung zur Gesamttätigkeit ist zu bestimmen, in welchem Maße die Eingangsleistung auf vorsteuerabzugsberechtigende und nicht berechtigende Ausgangsumsätze entfällt. Gemäß § 15 Abs. 4 Satz 2, 3 UStG erlaubt das Gesetz eine sachgerechte Schätzung, wobei der Gesamtumsatzschlüssel gegenüber anderen Quoten nachrangig ist. Mit aktuellem Schreiben befasst sich das Bundesministerium der Finanzen (BMF) nun mit dem sogenannten Gesamtumsatzschlüssel und dessen Verhältnis zu anderen Aufteilungsschlüsseln.
BMF-Schreiben vom 13.02.2024
Gemäß dem BMF sollte jeder andere Aufteilungsschlüssel vorrangig angewendet werden, wenn er präzisere Ergebnisse liefert als der Gesamtumsatzschlüssel. Auch auf Umsatzzahlen basierende Aufteilungsschlüssel, die nur einen Teil der Umsätze einbeziehen (z. B. nur die Umsätze einzelner Abteilungen), haben Vorrang. Die Auswahl zwischen verschiedenen präziseren Methoden obliegt weiterhin dem Unternehmer, der nicht zwingend die präziseste Methode wählen muss. Nur wenn der Unternehmer keine präzisere Methode als den Gesamtumsatzschlüssel wählt, darf die Finanzverwaltung einen sachgerechten und präziseren Aufteilungsschlüssel anwenden. Der Flächenschlüssel bei Gebäuden wird grundsätzlich dem objektbezogenen Umsatzschlüssel als Aufteilungsmethode vorgezogen, wie es auch das entsprechende Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) im Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) festgehalten hat.
Der Gesamtumsatzschlüssel ist um spezielle Umsätze, die das Ergebnis verzerren würden (z. B. bestimmte Hilfsumsätze, Geschäftsveräußerungen, Kapitalerträge, Verkäufe von Investitionsgütern), zu bereinigen. In Voranmeldungen kann – wie gewohnt – der Vorsteuerschlüssel des Vorjahres genutzt werden. Die entsprechende Korrektur ist dann in der Umsatzsteuer-Jahreserklärung vorzunehmen. Die gebildete Quote kann bei Anwendung des Gesamtumsatzschlüssels auf den vollen Prozentsatz aufgerundet werden Bei allen anderen Schlüsseln ist auf die zweite Nachkommastelle zu runden. Schwankender Umsatzhöhen machen gem. BMF eine regelmäßige Prüfung nach § 15a UStG in den Folgejahren notwendig.
Praxisfolgen
Das BMF-Schreiben bringt an verschiedenen Stellen des UStAE zusätzliche Klarheit zu den Vorgaben zur Vorsteueraufteilung bei gemischter Verwendung. Grundlegende Neuerungen ergeben sich daraus allerdings nicht. Festzuhalten bleibt: Auch nach diesem aktuellen Schreiben des BMF bleibt es dabei, dass der Unternehmer primär selbst entscheiden kann, welchen Vorsteuerschlüssel er anwendet. Der Schlüssel muss lediglich sachgerecht sein, es muss jedoch nicht zwingend der präziseste Schlüssel sein. Abweichen kann das Finanzamt nur, wenn der Unternehmer keine sachgerechte Aufteilung vornimmt oder lediglich eine Aufteilung nach dem Gesamtumsatzschlüssel. Im Vergleich zur bisherigen Regelung des UStAE stellt dies eine leichte Verbesserung dar. Das BMF unterscheidet nunmehr anders als zuvor zwischen dem Gesamtumsatzschlüssel und anderen Umsatzschlüsseln. Wenn beide Seiten keine sachgerechte(re) Methode finden, bleibt es beim Gesamtumsatzschlüssel. Daher ist es für jeden Unternehmer ratsam, im Voraus zu überlegen, wie er die Vorsteuern aufteilen möchte. Entscheidend ist dabei die laufende Dokumentation. Ohne entsprechende Dokumentation ist im Nachgang eine alternative Aufteilung meist nur nach einem Umsatzschlüssel möglich ist.
23.02.2024 von StB Thomas Eggierth
Mit Urteil vom 9. August 2023 (I R 50/20) hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass der Organträger über eine qualifizierte Mehrheit der Stimmrechte verfügen muss, um die Voraussetzungen der finanziellen Eingliederung zu erfüllen, wenn die Satzung der Organgesellschaft für Beschlüsse der Gesellschafterversammlung generell eine qualifizierte Mehrheit vorsieht.
Der Entscheidung lag folgender Fall zugrunde: Streitig war, ob in den Jahren 2014 bis 2016 eine körperschaftsteuerliche Organschaft vorlag. Die Organträgerin war in den Streitjahren zu 79,8 % an der Organgesellschaft beteiligt. Ausweislich der Satzung hatte die Geschäftsführung für bestimmte Geschäfte die Zustimmung der Gesellschafterversammlung einzuholen. Die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung bedurften einer Mehrheit von 91 %.
Das Finanzamt sowie die Vorinstanz verneinten eine finanzielle Eingliederung mit der Begründung, dass unter entsprechender Anwendung der Rechtsprechung des BFH zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft, der Organträger seinen Willen in der Gesellschafterversammlung durchsetzen können muss.
Der BFH folgte dieser Auffassung und bestätigte, dass der Organträger über eine qualifizierte Mehrheit verfügen muss, wenn diese für Beschlüsse der Gesellschafterversammlung vorgesehen sind. Er führte aus, dass zwar aufgrund des Gesetzeswortlaut eine einfache Mehrheit der Stimmrechte ausreichen könne. Der Gesetzgeber hat nach der Gesetzesbegründung jedoch bewusst auf die Mehrheit der Stimmrechte und nicht die Mehrheit der Anteile abgestellt, um den Organträger in die Lage zu versetzen, tatsächlich das Geschehen in der Organgesellschaft zu bestimmen. Dies war aufgrund der fehlenden qualifizierten Stimmenmehrheit im Streitfall nicht erfüllt.
Nach Auffassung des BFH hat das Finanzgericht Düsseldorf (6 K 3291/19) daher zutreffend die sich aus der Rechtsprechung zur umsatzsteuerlichen Organschaft ergebenden Grundsätze auch für die körperschaftsteuerliche Organschaft herangezogen.
22.12.2023 von StB Judith Heske
Am 15. Dezember 2023 hat der Bundesrat dem „Gesetz zur Förderung geordneter Kreditzweitmärkte und zur Umsetzung der Richtlinie über Kreditdienstleister und Kreditkäufer sowie zur Änderung weiterer finanzmarktrechtlicher Bestimmungen“ (Kreditzweitmarktförderungsgesetz) zugestimmt. Da das Wachstumschancengesetz in 2023 nicht mehr verabschiedet wird, wurden wichtige und zeitkritische Themen davon in das Kreditzweitmarktförderungsgesetz übernommen. Einige dieser Themen möchten wir im Folgenden aufgreifen.
Änderungen im Einkommens- und Körperschafsteuerrecht
Zinsschranke: § 4h EStG und § 8a KStG werden an die Vorgaben der EU-Anti-Steuervermeidungsrichtlinie angepasst. Im EStG erfolgt eine Ausweitung der Zinsaufwendungen um wirtschaftlich gleichwertige Aufwendungen und sonstige Aufwendungen im Zusammenhang mit der Beschaffung von Fremdkapital i. S. d. ATAD-Richtlinie und Zinserträge um wirtschaftlich gleichwertige Erträge im Zusammenhang mit Kapitalforderungen. Weiterhin wird festgehalten, dass ein EBITDA-Vortrag nicht in Wirtschaftsjahren entsteht, in denen die Zinsaufwendungen die Zinserträge nicht übersteigen. Im Ergebnis ist damit ein Abzug von Zinsvorträgen nur möglich, soweit ausreichend verrechenbares EBITDA vorhanden ist. Die sog. Anti-Fragmentierungsregelung (Aufteilung der 3 Millionen Freigrenze) ist weiterhin nicht mehr vorgesehen.
>> Dezemberhilfe: Die Regelungen zur Besteuerung der sog. Dezemberhilfe 2022 gem. §§ 123 bis 126 EStG werden gestrichen. Damit wird auf die Besteuerung der Hilfe verzichtet.
Änderungen im Grunderwerbsteuerrecht
Bisher waren die die Auswirkungen der Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Aufgabe des Begriffs „Gesamthand“) auf die Grunderwerbsteuerbefreiungen bei Personengesellschaften noch nicht absehbar. Mit dem Beschluss wird der Status Quo der grunderwerbsteuerlichen Begünstigungen für Personengesellschaften verlängert. Rechtsfähige Personengesellschaften gelten für Zwecke der Grunderwerbsteuer nun sogar bis zum 31. Dezember 2026 weiterhin als Gesamthand. Die Begünstigungen nach §§ 5, 6, 7 GrEStG können also auch zukünftig in Anspruch genommen werden. Es wird gleichzeitig verhindert, dass es allein durch das Inkrafttreten des MoPeG zu einer Verletzung der laufenden Nachbehaltensfristen kommt.
Weitere Änderungen
Weitere Änderungen sind bspw. Folgeanpassungen an die mit dem MoPeG eintretenden Rechtsänderungen in den anderen Gesetzen (AO/FGO, KStG, GewStG und weitere).
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