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Informationen und Neuerungen aus der Rechtsberatung

Das BAG hat wieder den Zugangsbeweis verschärft: Ohne Auslieferungsbeleg kein sicherer Zugangsnachweis!

In dem Verfahren stritt ein Arbeitnehmer die Zustellung der Kündigung ab. Der Arbeitgeber konnte nur die Sendungsverfolgung vorlegen – und scheiterte.

Das BAG stellt in seinem Urteil vom 30.01.2025 – 2 AZR 68/24 klar:

Die bloße Vorlage des Einlieferungsbelegs eines Einwurf-Einschreibens und die Darstellung seines Sendungsverlaufs begründen für sich allein genommen ohne die Vorlage einer Reproduktion des Auslieferungsbelegs keinen Anscheinsbeweis für einen Zugang der eingelieferten Postsendung beim Empfänger. Ein Online-Tracking („Zugestellt“) genügt nicht, um den Zugang rechtssicher zu beweisen. Es bedarf konkreterer Nachweise wie eines Auslieferungsbelegs oder Zeugenaussagen‼️

Fazit:

Wenn dem Arbeitgeber den Zugang einer Kündigung an den Arbeitnehmer nicht nachweisen kann, wird das Arbeitsverhältnis nicht beendet. Damit sind erhebliche finanzielle und organisatorische Risiken verbunden.

Unternehmen sollten daher ihre internen Zustellprozesse dringend überprüfen und anpassen.

Der Zugang muss durch Auslieferungsbeleg und/oder Zeugen sicher bewiesen werden können.

Unternehmen sollten die Kündigungen nach Möglichkeit per (Kurier-)Boten oder persönlich übergeben.

Bei Fragen rund um die Kündigung stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

08.05.2025 von Heike Fiss und Philipp Dietz

Das LAG Köln hat mit Urteil vom 11.02.2025 Az.: 7 Sa 635/23 die Kündigung eines Arbeitnehmers wegen vorsätzlich falscher Arbeitszeiterfassung bestätigt – und ihn außerdem zur Erstattung der Detektivkosten in Höhe von 21.608,90 Euro verurteilt.

Das aktuelle Urteil zeigt, wer die eigene Arbeitszeit falsch dokumentiert, riskiert nicht nur den Job, sondern möglicherweise auch die Kosten für die Inanspruchnahme einer Detektei.

Zum Sachverhalt:

Ein Fahrausweisprüfer im ÖPNV soll mehrfach während seiner Arbeitszeit privat unterwegs gewesen sein – etwa beim Friseur, im Fitness-Studio, beim Bäcker, beim Fotoshooting oder in der Moschee – ohne dies im Zeiterfassungssystem als Pause zu dokumentieren.

Nach externen Hinweisen beauftragte der Arbeitgeber daraufhin einen Detektiv, um den Arbeitnehmer zunächst stichprobenartig während seiner Arbeitszeit und im öffentlichen Raum zu kontrollieren. Dieser stellte entsprechende Verstöße an mehreren Tagen fest.

Auch bei der anschließenden zweiwöchigen Überwachung während der Arbeitszeit zeigte sich das gleiche Muster.

Daraufhin kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos. Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage, der Arbeitgeber verlangte die Kosten der Überwachung.

Die Entscheidung:

Ein Arbeitszeitbetrug ist ein schwerwiegender Vertrauensbruch, der als wichtiger Grund eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann.

Die fristlose Kündigung war in diesem Fall wirksam.

Die Observation durch die Detektei war datenschutzrechtlich zulässig, besonders da diese erst nach einem Anfangsverdacht, nur während der Arbeitszeit und nur im öffentlichen Raum erfolgte.

Die Detektivkosten sind als Schadenersatz vom Arbeitnehmer zu tragen.

Das Gericht stellt nochmal klar: Wer seine Arbeitszeit vorsätzlich falsch dokumentiert, verletzt gravierend seine arbeitsvertraglichen Pflichten – und sorgt so für einen erheblichen Vertrauensbruch. Dieser rechtfertigt eine fristlose Kündigung und u.U. kommt noch die persönliche Haftung für den Ermittlungsaufwand hinzu.

Fazit:

Das Urteil ist erneut ein Warnsignal für alle, die es mit der Zeiterfassung nicht ganz so genau nehmen.

Arbeitgeber dürfen bei konkretem Verdacht eine Detektei einschalten.

Ersatzmitglieder des Betriebsrats sind ebenfalls nicht vor Kündigungen sicher, wenn ein gravierender Pflichtverstoß vorliegt.

Das Urteil zeigt nochmal auf, dass der Arbeitnehmer bei falscher Arbeitszeiterfassung nicht nur seinen Job riskiert, sondern auch erhebliche, finanzielle Einbußen.

Bei Fragen rund um die Kündigung u.a. wegen schwerwiegenden Vertrauensbruchs stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

08.05.2025 von Heike Fiss und Philipp Dietz

Mit dem sog. Herrenberg-Urteil vom 28. Juni 2022 (B 12 R 3/20 R) hat das Bundessozialgericht in einem Einzelfall über die Versicherungspflicht der Tätigkeit einer Musiklehrerin an einer städtischen Musikschule aufgrund abhängiger Beschäftigung entschieden.

Der Bundestag hat reagiert und hat am 30. Januar 2025 eine Übergangsregelung für Lehrtätigkeiten in § 127 SGB IV beschlossen. Der Bundesrat hat am 14. Februar 2025 erteilt.

Der neue § 127 SGB IV sieht vor, dass für einen begrenzten Übergangszeitraum – vorerst befristet bis zum 31. Dezember 2026 – die Tätigkeit von Lehrkräften in Form einer selbstständigen, nicht sozialversicherungspflichtigen und nicht lohnsteuerpflichtigen Tätigkeit auszugestalten und damit von einer zwingenden Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen abzusehen ist. Die Anwendung der Übergangsregelung setzt dabei voraus, dass

  • die Vertragsparteien bei Vertragsschluss übereinstimmend von einer selbstständigen Tätigkeit ausgehen bzw. ausgegangen sind und
  • die betroffene Lehrkraft dem zustimmt.

Diese Regelung erfasst allerdings nur „echte Lehrende“, die als Selbständige selbst rentenversicherungspflichtig sind. Für die Praxis heißt das konkret, dass Personen, die bereits zuvor nicht unter den Anwendungsbereich eines „selbstständig Lehrenden“ im Sinne des § 2 Nr. 1 SGB VI fielen, auch künftig vollständig sozialversicherungspflichtig bleiben. Hochschulen und Bildungseinrichtungen müssen daher sehr genau prüfen, ob die beauftragten Lehrkräfte auch tatsächlich die Voraussetzungen der geplanten Norm erfüllen, da zu erwarten ist, dass die Deutsche Rentenversicherung künftig potenzielle Anwendungsfälle besonders kritisch prüfen wird.

Definition der Lehrtätigkeit:

Die Lehrtätigkeit ist in § 2 SGB VI definiert. Danach umfasst die Lehrtätigkeit die Übermittlung von Wissen und die Unterweisung von praktischen Tätigkeiten. Neben Lehrern, Dozenten, Referenten, Lehrbeauftragten an Schulen und Hochschulen sind auch Sportlehrer jeder Art (z.B. Ski, Tennis, Golf), Fahrschullehrer, Lehrer für Instrumentenunterricht, Dozenten im Bereich der Sprachvermittlung oder Tanzlehrer erfasst.

Unsere Empfehlung:

Wir empfehlen Bildungseinrichtungen und Unternehmen dringend, vorsorglich die schriftliche Zustimmung Ihrer Honorar-Lehrkräfte einzuholen, dass bis zum 31. Dezember 2026 keine Versicherungspflicht aufgrund ihrer Tätigkeit besteht. Diese Zustimmung ist eine zentrale Voraussetzung, um die Vorteile der Übergangsregelung des § 127 SGB IV nutzen zu können und mögliche rechtliche Streitigkeiten oder Nachforderungen zu vermeiden.

Gerne beraten wir Sie bei der Umsetzung des neuen § 127 SGB IV und unterstützen bei der notwendigen Umstellung der Organisationsmodelle.

08.05.2025 von Heike Fiss und Martin Giepen

Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsvertrag gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Beschäftigung. Verweigert der Arbeitgeber die Beschäftigung, obwohl der Arbeitnehmer arbeiten möchte, bleibt er zur Zahlung des sogenannten „Annahmeverzugslohns“ verpflichtet. Im Annahmeverzug befindet sich ein Arbeitgeber, wenn er die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers unberechtigt ablehnt oder den Arbeitnehmer freistellt, obwohl dieser seine Arbeitskraft anbietet. Nach § 615 Satz 1 BGB muss der Arbeitgeber in diesem Fall weiter das Gehalt zahlen, als würde der Arbeitnehmer regulär arbeiten.

In der Praxis kommt es häufig vor, dass Arbeitgeber gekündigte Arbeitnehmer unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts freistellen. Diese Freistellungen sehen regelmäßig vor, dass bestehende Urlaubsansprüche angerechnet werden. Darüber hinaus behält sich der Arbeitgeber vor, einen etwaigen Verdienst während der Freistellung auf die Lohnzahlung anzurechnen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich bereits mehrfach zu der Frage geäußert, inwieweit ein Arbeitnehmer verpflichtet ist, sich während eines möglicherweise langwierigen Kündigungsschutzprozesses um einen neuen Arbeitsplatz zu bemühen.

Am 12. Februar 2025 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun entschieden, dass gekündigte und freigestellte Arbeitnehmer nicht verpflichtet sind, sich bereits während der Kündigungsfrist auf andere Stellen zu bewerben (BAG, Urteil vom 12. Februar 2025 – 5 AZR 127/24). Der konkrete Fall betraf eine Führungskraft, die nach einer betriebsbedingten Kündigung unwiderruflich freigestellt wurde. Obwohl der Arbeitgeber weiter Gehalt zahlte, wollte er diese Zahlungen kürzen, nachdem er dem gekündigten Arbeitnehmer dutzende Stellenangebote übermittelt hatte und dieser sich erst gegen Ende der Kündigungsfrist auch bewarb. Die Zahlungskürzungen begründete der Arbeitgeber damit, die Führungskraft habe es „böswillig unterlassen“, in der Freistellungsphase anderweitig Geld zu verdienen (§ 615 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB).

„Böswilliges Unterlassen“ bedeutet, dass ein Arbeitnehmer vorsätzlich oder mutwillig eine zumutbare Beschäftigung nicht annimmt, um weiterhin die Vergütung vom alten Arbeitgeber zu erhalten. Dies hat das BAG vorliegend verneint und klargestellt, dass der Arbeitnehmer nicht verpflichtet sei, vor Ablauf der Kündigungsfrist eine neue Anstellung anzutreten und daraus Verdienst zu erzielen, um die finanzielle Belastung des ehemaligen Arbeitgebers zu reduzieren.

Mit der aktuellen Entscheidung verdeutliche das BAG die hohen Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers im Hinblick auf die (Un)Zumutbarkeit der Beschäftigung zur Abwehr von Annahmeverzugslohnansprüchen bei Freistellungen. Arbeitgeber sollten Freistellungen weiterhin sorgfältig prüfen und deren Gründe sowie Umstände umfassend dokumentieren.

17.03.2025 von RA Philipp Dietz

Die EU-Verordnung über künstliche Intelligenz (AI-Act) führt zu grundlegenden Veränderungen im Handels- und Gesellschaftsrecht. Als unmittelbar geltendes Recht wird sie die Unternehmensführung und -organisation maßgeblich beeinflussen. Die Verordnung sieht einen risikobasierten Ansatz vor, der sich in den gesellschaftsrechtlichen Pflichten der Unternehmensorgane widerspiegelt.

Pflichten der Unternehmensleitung
Die Geschäftsleitung muss im Rahmen ihrer allgemeinen Leitungspflicht nach § 76 AktG bzw. § 35 GmbHG ein Klassifizierungssystem für KI-Anwendungen implementieren. Dieses muss die in der Verordnung vorgesehenen Risikoklassen (verbotene Praktiken, Hochrisiko-KI-Systeme und sonstige KI-Systeme) abbilden. Die Einordnung bestimmt die weiteren Handlungspflichten der Unternehmensleitung.

Organisatorische Anforderungen
Bei der Verwendung von Hochrisiko-KI-Systemen im Sinne der Verordnung ergeben sich aus der allgemeinen Organisationspflicht der Geschäftsleitung konkrete Handlungserfordernisse. Hierzu gehören die Einrichtung eines Qualitätsmanagementsystems, die Erstellung technischer Dokumentationen und die Gewährleistung der menschlichen Aufsicht über das KI-System. Diese Pflichten konkretisieren die allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltspflichten.

Auswirkungen auf die Corporate Governance
Die Corporate Governance muss um spezifische KI-Kontrollmechanismen erweitert werden. Der Aufsichtsrat muss im Rahmen seiner Überwachungspflicht nach § 111 AktG die Einhaltung der Verordnung durch den Vorstand kontrollieren. Dies umfasst insbesondere die Prüfung, ob angemessene Systeme zur Risikoerkennung und -steuerung für KI-Anwendungen implementiert wurden.

Berichtspflichten und Transparenz
Die handelsrechtlichen Berichtspflichten werden durch die Transparenzanforderungen der Verordnung erweitert. Im Lagebericht nach § 289 HGB müssen künftig Angaben über den Einsatz von KI-Systemen, insbesondere von Hochrisiko-KI-Systemen, gemacht werden. Dies umfasst Informationen über Risikomanagement, Kontrollsysteme und wesentliche Veränderungen in der KI-Nutzung.

Haftungsregime
Die Verordnung etabliert ein spezifisches Haftungsregime für KI-Systeme, das mit den allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Haftungsnormen in Einklang gebracht werden muss. Die Business Judgment Rule nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG findet weiterhin Anwendung, jedoch müssen Organmitglieder nachweisen können, dass sie die spezifischen Anforderungen der Verordnung bei ihrer Entscheidungsfindung berücksichtigt haben.

Konsequenzen für den Konzern
Im Konzernverbund müssen die Anforderungen der Verordnung in die bestehenden Compliance-Strukturen integriert werden. Die Konzernleitung ist verpflichtet, ein konzernweites System zur Überwachung von KI-Anwendungen zu implementieren und die einheitliche Umsetzung der Verordnung sicherzustellen.

Registrierungspflichten
Für Hochrisiko-KI-Systeme sieht die Verordnung eine Registrierungspflicht in einer EU-Datenbank vor. Dies kann Auswirkungen auf die handelsrechtliche Offenlegung haben und muss in den gesellschaftsrechtlichen Dokumentations- und Berichtspflichten berücksichtigt werden.

Fazit
Die EU-Verordnung über künstliche Intelligenz bringt erhebliche handels- und gesellschaftsrechtliche Änderungen mit sich. Die praktische Umsetzung wird viele Unternehmen vor neue Herausforderungen stellen. Bei Fragen zur Implementierung der Verordnung in Ihrem Unternehmen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

30.01.2025 von RA Justus Abeln

Die EU-Kommission hat eine neue Produktsicherheitsverordnung (GPSR) entworfen, die am 13.12.2024 in Kraft tritt. Sie gilt unmittelbar in den EU-Mitgliedstaaten; einer nationalen Umsetzung bedarf es nicht.

Die Verordnung gilt für alle neuen, gebrauchten, reparierten oder wiederaufgearbeiteten Produkte, die in Verkehr gebracht oder auf dem Markt bereitgestellt werden, soweit es keine spezifischen Bestimmungen über die Sicherheit der betreffenden Produkte gibt, mit denen dasselbe Ziel verfolgt wird, vgl. Art. 2 Abs. 1 S. 1 GPSR. Produkte, die vor dem 13.12.2024 in Verkehr gebracht wurden, dürfen weiterhin ohne Beachtung der GPSR betrieben werden, soweit sie mit den Vorgaben der vorherigen Richtlinie zur Produktsicherheit (RiLi 2001/95/EG) vereinbar sind.

Wichtigsten Änderungen:

  • Hersteller (Art. 3 Nr. 8 GPSR) müssen ausnahmslos für jedes Produkt eine interne Risikoabwägung durchführen und technische Unterlagen erstellen. Eine Bagatellgrenze gibt es nicht. Als Hersteller gilt auch derjenige, der ein Produkt physisch oder digital so verändert, dass sich die Änderung auf die Sicherheit des Produkts auswirkt.
  • Hersteller sind weiterhin verpflichtet, Produktunfälle – ab Kenntnis – den zuständigen Behörden des Mitgliedstaates, in dem sich der Unfall ereignet hat, über das „Safety-Business-Gateway“ zu melden, Art. 20 GPSR.
  • Händler müssen kontrollieren, dass Hersteller und Einführer ihre jeweiligen Pflichten nach der GPSR erfüllen. Sie sind außerdem verpflichtet, Informationen über den Namen des Herstellers des Produktes, dessen Postanschrift und elektronische Adresse im Fernabsatzhandel eindeutig und gut sichtbar bereitzustellen. 
  • Der Anwendungsbereich der GPSR erweitert sich auf Fulfillment-Dienstleistern und auf Anbieter von Online-Marktplätzen. Fulfillment-Dienstleister sind natürliche und juristische Personen, die im Rahmen einer Geschäftstätigkeit mindestens zwei der folgenden Dienstleistungen anbieten: Lagerhaltung, Verpackung, Adressierung und Versand von Produkten, an denen sie kein Eigentumsrecht haben.
  • Anbieter von Online-Marktplätzen müssen sich bei einem „Safety-Gate-Portal“ registrieren und Angaben zu ihrer zentralen Anlaufstelle hinterlegen. Es besteht nämlich eine Transparenzpflicht über die Herkunft des Produktes, wobei eine Zusammenarbeit mit den Behörden gefordert ist. Soweit der Anbieter von Online-Marktplätzen einen EU-Importeur nicht benennt, liegt die direkte Verantwortung für das Produkt bei ihm. Allgemein gilt, dass ein Produkt aus einem Nicht-EU-Land nur in Verkehr gebracht werden kann, wenn ein Verantwortlicher in der EU benannt ist.
  • Die Angaben von Warnhinweisen und Sicherheitsinformationen müssen auf dem Produkt oder der Produktverpackung angebracht oder in Begleitunterlagen beigefügt werden. Sie müssen in allen Amtssprachen der EU-Mitgliedstaaten ausformuliert sein.
  • Wirtschaftsakteure und Anbieter von Online-Marktplätzen sind von nun an verpflichtet im Falle eines Produktsicherheitsrückrufs oder bei Sicherheitswarnungen die betroffenen Verbraucher zu ermitteln und diese direkt und unvermittelt zu unterrichten, Art. 35 GPSR.
    In solch einem Fall sind sie zudem verpflichtet, dem Verbrauer eine wirksame, kostenfreie und zeitnahe Abhilfe anzubieten.

Die GPSR sieht selbst keine unmittelbaren Sanktionen für Verstöße vor. Die EU-Kommission hat die Sanktionierung den nationalen Gesetzgebern überlassen, Art. 44 GPSR. Der deutsche Gesetzgeber wird bis zum 13.12.2024 entsprechende Regelungen und Maßnahmen treffen müssen.

Die EU-Kommission sieht jedoch Beschränkungen für das Inverkehrbringen eines Produktes oder seine Bereitstellung auf dem Markt vor sowie seine Rücknahme vom Markt oder seinen Rückruf. Es ist ausdrücklich geregelt, dass durch vorgenanntes eine Haftung der betreffenden Partei durch nationales Recht nicht ausgeschlossen ist.

11.12.2024 von RA Martin Giepen

Neue BSG-Rechtsprechung birgt Prüfungsbedarf für vermeintlich „sichere“ Gestaltungen

Im Rahmen von Betriebsprüfungen stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund zunehmend fest, dass vermeintlich selbständige Tätigkeiten tatsächlich als abhängige Beschäftigung zu qualifizieren sind. Dies hat üblicherweise schmerzliche Folgen für den Auftraggeber, der das Risiko der Haftung für nicht gezahlte Sozialversicherungsbeiträge und Säumniszuschläge trägt.

Selbstständig ist im Allgemeinen jemand, der unternehmerische Entscheidungsfreiheit genießt. Solche Personen tragen ein unternehmerisches Risiko, arbeiten auf eigene Rechnung im eigenen Namen, nehmen unternehmerische Chancen wahr und können für ihre Tätigkeit Eigenwerbung betreiben. Der Erfolg des finanziellen und persönlichen Einsatzes ist dabei ungewiss und hängt nicht von anderen Beteiligten und deren Vorgaben ab. Selbstständige gestalten ihre Tätigkeit im Wesentlichen frei und bestimmen selbst ihre Arbeitszeit und ihren Arbeitsort. Bei Scheinselbstständigen ist das nicht der Fall. Das BSG stellt bei der Beurteilung des Vorliegens einer (nicht)selbständigen Tätigkeit auf das Gesamtbild der Leistungserbringung im Einzelfall anhand der genannten Kriterien ab.

Ein bislang taugliches Mittel, eine Scheinselbständigkeit zu umgehen, war eine Auftragserteilung nicht an eine natürliche Person als „Selbständigen“, sondern an eine von diesem gegründete Ein-Personen-Kapitalgesellschaft, in der dieser als 100% beteiligter Gesellschaftergeschäftsführer tätig ist. Ein unmittelbares Vertragsverhältnis zwischen Auftraggeber und dem „Selbständigen“ als natürliche Person ist dann nicht gegeben.

Die Problematik des Gesellschaftergeschäftsführers, der die Gesellschaft nicht beherrscht, ist damit umschifft (vgl. etwa BSG, Urt. B 12 KR 37/19 vom 01.02.2022). Jedoch ist die genannte Gestaltung des 100% Gesellschaftergeschäftsführers in der Ein-Personen-Kapitalgesellschaft keine sichere Gestaltung (mehr) gegen eine, regelmäßig ungewollte, Sozialversicherungspflicht.

Auch in den zuletzt entschiedenen Fällen (vgl. BSG, Urteile B 12 BA 1/23, B 12 R 15/21 R und B 12 BA 4/22 R vom 20.07.2023) verwies das BSG auf das Gesamtbild der Tätigkeit der natürlichen Person. Es stellt fest, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht zwingend dadurch ausgeschlossen ist, dass eine Vertragsbeziehung zwischen dem Auftraggeber und einer Ein-Personen-Kapitalgesellschaft besteht, wenn der Gesellschaftergeschäftsführer die Tätigkeit persönlich erbringt. Vielmehr seien auch in diesen Konstellationen für die Abgrenzung einer abhängigen von einer selbstständigen Tätigkeit die jeweiligen konkreten tatsächlichen Umstände der Tätigkeit nach einer Gesamtabwägung anhand der genannten Kriterien maßgeblich.

Die Deutsche Rentenversicherung Bund wird von dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung umfassend Gebrauch machen. Eine rechtssichere Feststellung, ob eine abhängige, oder selbständige Tätigkeit vorliegt, lässt sich daher auch in solchen Konstellationen nur nach Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens treffen.

13.09.2024 von RA Philipp Dietz